Static von L. A. Witt (englisch)

Darum geht’s:

Damons Freundin Alex hat manchmal Depressionen und ihre Stimmungen schwanken von sehr anhänglich bis zu völlig abweisend, aber trotzdem liebt er sie sehr und will sie sogar heiraten. Als sie sich nach einem Besuch bei ihren Eltern, zu denen sie kein gutes Verhältnis hat, nicht meldet, ist Damon besorgt. Was Alex ihm dann aber eröffnet, als er bei ihr nach dem Rechten sieht, überrascht ihn total! Natürlich hat Damon schon von „Shiftern“ gehört, einer kleinen Minderheit der Bevölkerung, die nicht auf ein Geschlecht festgelegt sind, sondern willentlich zwischen beiden hin und her wechseln können und damit auch ihr Aussehen komplett verändern. Aber dass seine Freundin Alex dazu gehört, hat sie ihm verschwiegen, Damon kannte sie bisher nur als Frau. Ihre Beichte geschieht auch jetzt nicht freiwillig…

So fand ich’s:

Die religiös-fanatischen Eltern möchten Alex davon “heilen”, dass sie nicht auf ein Geschlecht festgelegt ist, sondern zwischen beiden wechselt. Sie haben Alex beim letzten Besuch etwas ins Getränk gemischt und als sie wieder zu sich kommt, hat man ihr ein Implantat verpasst, das die Hin- und Her-Verwandlung dauerhaft verhindert und sie in ihrer männlichen Erscheinungsform festhält. Das Schwarzmarkt-Implantat könnte schwerwiegende Spätfolgen wie z. B Krebs verursachen, es kann nur in einer riskanten und teuren Operation, möglicherweise auch gar nicht wieder entfernt werden, und auch wenn es klappt, ist nicht sicher, dass kein permanenter Schaden entstanden ist. Vielleicht muss Alex für immer ein Mann bleiben, was ihn die Hälfte seiner Persönlichkeit kostet und ihn quält, denn das Wechseln zwischen den Geschlechtern geschieht aus einem Bedürfnis heraus, das durch das Implantat nicht unterdrückt wird.

Zuerst geht es darum, die akuten Folgen des erzwungenen Eingriffs abzumildern, doch als klar ist, dass Alex’ Leben nicht akut bedroht ist, sieht sich Damon einer fast unerträglichen Situation gegenüber.

Diese Konstellation ist hoch interessant. Abwechselnd erzählten Damon und Alex aus der Ich-Perspektive, was durch den Namen des Erzählenden als Kapitelüberschrift leicht erkennbar ist. So schaut man beiden in die Köpfe.

Man bekommt aus erster Hand mit, wie Alex darunter leidet, dass er in einer Erscheinungsform feststeckt, so sehr er sich auch danach sehnt, auch mal die andere anzunehmen. Die Reaktionen seines Umfeldes auf das unfreiwillige Outing sind sehr unterschiedlich und z. T. auch für den Leser beängstigend.

Und auch Damon leidet, denn er ist definitiv nicht an Männern interessiert, findet sich aber plötzlich mit einem Mann in einer festen Beziehung. Er lässt sich Zeit damit, seine Gefühle zu analysieren, während er erst einmal als Freund für Alex da ist, denn die ganze Situation überfordert ihn. Auch wenn ihm schnell klar wird, dass seine größte Angst ist, dass Alex durch das Implantat oder bei dessen Entfernung etwas zustoßen könnte, kann er sich nicht vorstellen, wie eine Liebesbeziehung zu einem Mann aussehen könnte.

Man merkt deutlich, dass ihre Beziehung auf der Kippe steht, dass es sich jederzeit in Richtung Annäherung oder auch in Richtung Trennung neigen könnte und es dauert lange, bis eine Verschiebung einsetzt und noch länger, bis Damon sie bemerkt.

Die Geschichte von Damon und Alex ist keine oberflächliche Unterhaltung, auch wenn L. A. Witts Schreibweise sehr angenehm zu lesen ist und ich von der ersten Seite ab vom Geschehen gefesselt war. Man verbringt ein paar spannende Lesestunden und bekommt ganz nebenbei und ohne belehrend erhobenen Zeigefinger die Augen geöffnet für die eigene eingeschränkte, von Vorurteilen geprägte Sichtweise. Ein eindringliches Plädoyer für Toleranz, versteckt hinter guter Unterhaltung.


[Werbung] Klappentext- und Bildquelle sowie Buchdetails: Verlagsseite

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