Trinity – Verzehrende Leidenschaft von Audrey Carlan – Trinity #1

Darum geht’s:

Gillian Callahans Job als Spendensammlerin für die wohltätige Organisation Safe Haven führt sie zur deren Vorstandssitzung. Am Abend vorher lernt sie in der Hotelbar den unwiderstehlichen Chase kennen. Noch bevor sie merkt, dass es sich bei ihm um den Vorstandsvorsitzenden, also ihren obersten Chef handelt, ist sie schon seinem Macho-Charme verfallen. Obwohl Gillian eine traumatische Beziehung voller Gewalt hinter sich hat, ist sie fasziniert und begeistert von dem arroganten und herrischen Chase.

So fand ich’s:

Lesegeschmäcker sind unterschiedlich und alles, was gefällt, hat seine Berechtigung. Ein Buch muss einen nicht immer informieren oder einen charakterlich weiterbringen. Manchmal möchte man einfach dem Alltag entfliehen, sich in eine Fantasiewelt entführen lassen oder das ausleben, was man sich im wirklichen Leben nicht traut oder sich gar nicht vorstellen kann, so abgedreht ist es. Und nur, weil mir ein Buch persönlich nicht liegt, muss es noch lange nicht schlecht sein. Selbst unsterbliche Liebe in Sekundenschnelle, Reisen zu fremden Planeten oder Zauberei kann man mir verkaufen, wenn es glaubwürdig rübergebracht wird.

Es gibt aber Dinge, die ich ganz unabhängig vom eigenen Geschmack unangebracht und störend finde und die ein Buch für mich zu einem misslungenen Buch machen. Und bei “Trinity – Verzehrende Leidenschaft” hat es da ein paar von diesen Punkten gegeben.

Für die Fans, die das Buch noch nicht gelesen haben, verrate ich bestimmt zuviel, also empfehle ich, nur weiterzulesen, wenn man das Buch selbst nicht lesen möchte oder es schon gelesen hat – oder es einem egal ist, wenn gespoilert wird. Was die Handlung angeht, wäre das Buch meiner Meinung nach mit “Mein Baby gehört mir” aber auch schon ziemlich komplett umrissen und alles, was man darüber hinaus erzählt, sind marginale Details.

Nicht homogene Charaktere

Hauptsächlich Gillian, teilweise aber auch Chase, haben Charaktereigenschaften, die nicht schlüssig sind. Die Charaktere sind alle schablonenhaft, selbst Gillian und Chase kommen aus ihren Klischee-Ecken nicht heraus. Und leider wurden eben zu viele typische Schienen des Genre bedient, die nicht zueinander passten.

Gillian ist ein jahrelanges Opfer von häuslicher Gewalt, ärgert sich aber, dass sie den Kerl in der Hotelbar nicht sofort ins Bett gezerrt hat. Sie hat Bindungsängste, findet es aber klasse, dass Chase sie nach wenigen Tagen als seine Lebensgefährtin bezeichnet. Sie hält sich selbst für selbstbewusst und selbständig, beschränkt sich aber auf kopfloses Davonrennen, wenn sie mal selbst entscheiden muss. Gillian behauptet, aus ihren gewalttätigen Erfahrungen gelernt zu haben, aber sie beugt sich sofort jeder Äußerung von Chase, lässt sich so gut wie alles gefallen, verschiebt ihren Protest auf später, um ihn dann ganz zu vergessen. Sie ist harmoniesüchtig und interpretiert alles, was er tut, als positiv, wogegen genau dieselben Dinge, von anderen getan, verdammenswert sind. Sie will keinen Mann, der sich um sie kümmert, aber darüber, dass Chase sich um sie kümmert, wie sich noch nie ein Mann um sie gekümmert hat, ergeht sie sich in ständiger Begeisterung. Vor allem, wenn “kümmern” darin besteht, sie als sein Eigentum zu betrachten. Mit dem Freund, den sie vor Chase hatte, war sie nicht glücklich, weil er “nie die Stimme erhoben” hat und immer viel zu lieb war, was für mich gar nicht zu ihrer Vergangenhiet passt, denn – siehe oben – Gillian ist viele Jahre (sie ist uralte 24) Opfer häuslicher Gewalt gewesen, wurde regelmäßig geschlagen, schwer verletzt und immer wieder zum Sex gezwungen.

Chase soll wohl selbstsicher und weltgewandt wirken, tatsächlich kommt er nur arrogant und herrisch rüber. Er bestimmt, wo Gillian sich aufhält, mit wem sie ihre Zeit verbringt, nachdem diejenigen eine Sicherheitsprüfung über sich haben ergehen lassen müssen, legt fest, was sie isst, anzieht und denkt, überwacht ihre Kreditkarte, fragt sie nie nach ihren Wünschen, sie sprechen sich nie bei irgendetwas ab, sondern er bestimmt nach seinem Geschmack, erklärt nie etwas, diskutiert nie auf Augenhöhe. Genauso arrogant und von oben herab behandelt er sein Angestellten.

Chase schiebt Gillian herum wie ein Stück Fleisch und entmündigt sie komplett, bricht in ihr Hotelzimmer ein und überrascht sie im Schlaf, liest ungefragt die Nachrichten, die sie auf ihrem Handy bekommt, fügt sie quasi seinem Besitz zu. Er nimmt sich das Recht heraus, völlig selbstverständlich über ihren Körper zu bestimmen und sie macht das auch extrem willig mit. Ansatzweise Äußerungen einer eigenen Meinung von Gillian werden mit Sex unterbunden, denn sobald sie seinen perfekten goldenen Körper erblickt bzw. er sie anfasst, hat sie sowieso keine Lust mehr auf eine Diskussion, sondern ergibt sich – wieder mal – seinem Willen.

Das passt überhaupt nicht zu Chases eigener Geschichte, die eher jemanden hervorbringen würde, der jede Art von körperlicher Gewalt, Bevormundung und Einengung komplett ablehnen müsste. Ich habe tatsächlich noch mitten im Buch vergessen, welche Familiengeschicht Chase Gillian gebeichtet hat und musste grübeln, was das gleich nochmal war, das ihm als Kind passiert ist – vermutlich weil dieses Kindheitstrauma so gar nicht zu dem Chase passte, den ich geschildert bekam.

Das sind beides keine Charaktere, mit denen ich mich identifizieren kann, die mein Herz erreichen und die ich verstehen kann. Ehrlich gesagt kann ich nicht mal die Leser verstehen, die für die beiden irgendwelche Sympathien empfinden, denn bei mir ging es nicht einmal so weit, dass ich sie einigermaßen nett fand, sondern nur platt und oberflächlich dargestellt, schablonenhaft, künstlich und nicht schlüssig in ihrem Charakter.

Die falsche Message

Ich fühle mich in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts zurückversetzt.

Das Verhalten von Gillian und Chase hat mich quasi die ganze Lesezeit über wütend gemacht. Das passiert mir schon gelegentlich mal, aber wenn der fiktive Charakter, der mich so aufregt, dann doch zur Vernunft kommt, etwas lernt, bereut und sein Leben umkrempelt, dann durchleide ich eben auch die ignorante Zeit mit ihm. Bei “Trinity” wird das, was mich pausenlos auf die Palme gebracht hat, aber als völlig okay oder sogar erstrebens- und ersehnenswert dargestellt. Der herrische Kontrollfreak kann sich so grob ausleben wie er möchte und Gillian bekommt davon jedes Mal “feuchte Höschen”. Die Notwendigkeit, am Verhalten von Chase oder Gillian irgend etwas zu ändern, kommt keinem der beiden in den Sinn.

Da frage ich mich ernsthaft, wie sich eine angeblich emanzipierte Frau nach jahrelanger Gewalterfahrung auch nur in der Vorstellung einer Fantasiewelt so zu einem willigen, aber willenlosen Stück Fleisch degradieren lässt und die Autorin davon ausgeht, dass andere Frauen das auch noch gerne lesen möchten. Sorry, Mädels, das geht über mein Vorstellungsvermögen. Kann es nicht eine Lovestory zwischen zwei Erwachsenen auf Augenhöhe geben, die Euch gefällt? Muss es denn dieses auch noch völlig überzogen dargestellte Macho-und-Püppchen-Gehabe sein? Das harmoniert so wenig mit meiner Einstellung im realen Leben, dass ich diese rückständigen Ansichten nicht einmal im fiktiven Roman als Basis für eine Beziehung akzeptieren möchte.

Irritierende Vergleiche, anatomische Unmöglichkeiten, realitätsfremde Dialoge und platte Sprache

Bei einem Liebesroman erwarte ich nicht unbedingt hochgeistige literarische Abhandlungen. Aber wenn es ein Autor versteht, mit der Sprache zu spielen, und deutliche, aber geschmackvolle Worte gerade bei den Sexszenen zu finden, und diese so zu beschreiben, dass man sie sowohl nachvollziehen als auch mitfühlen kann, dann ist das Buch für mich ein Gewinn.

Bei “Trinity – Verzehrende Leidenschaft” gibt es reihenweise und ständig wiederholt feuchte Höschen, funkelnde Augen und goldene Haut, und die im Laufe des Buches immer häufiger werdenden Sexszenen werden so gleichförmig beschrieben, dass ich sie irgendwann nur noch überflogen habe. Ein erotischer Funke ist bei mir zu keiner Zeit übergesprungen, obwohl ich eine bekennende Leserin von erotischen Romanen bin. Formulierungen wie

“… und genieße den Geschmack von frischem Wasser, einem Hauch Seife und heiligem Mann”

“… und rammt sein Glied bis zum Muttermund wieder in  mich hinein”

“Ich schreie auf, als er mich spaltet”

“Er ist ein Gott, der von innen leuchtet, wenn er kommt”

…”fühlt sich in mir an wie ein Stahlrohr, das sich derart verkeilt hat, dass …”

“Seine goldene Brust ist wie ein Leuchtturm, der mich nach hause ruft, und ich krieche auf ihn zu”

“…schlägt die Zähne in die zarte Haut, und ich schreie vor Ekstase”

“… und hüpfe auf ihm wie auf einem Springstock”

lassen mich amüsiert oder genervt auflachen und starten ein Kopfkino, das eher mit Slapstick als mit Erotik zu tun hat. Manche Verrenkungen konnte ich mir nicht einmal vorstellen und halte sie für anatomisch unmöglich, zumindest bei durchschnittlichen menschlichen Wesen. Für weitere Beispiele und die Diskussion darüber empfehle ich den Twitter-Hashtag #bbfliest.

Nachdem ich mit den beiden Hauptfiguren schon nicht glücklich war, ist es nur konsequent, dass mir die Nebendarsteller, Gillians Freundinnen, auch nicht zusagten. Alles, was man von ihnen erfuhr, war eine Aneinanderreihung von Klischees. Und dass sie sich gerne an ihren jeweiligen Kerlen reiben wir rollige Katzen. Nichts davon hat mich so neugierig auf die Damen gemacht, dass ich mir den Band / die Bände, in denen eine von ihnen die Hauptrolle spielt, greifen möchte.

Ich war mir unschlüssig, wie ich dieses Buch einordnen sollte. Leben kann ich ganz gut mit einer ironischen Mischung aus Märchen, Comedy und Fantasy in historischem Setting. Meine Vorstellung einer anregenden und modernen Liebesgeschichte auf Augenhöhe hat “Trinity – Verzehrende Leidenschaft” nicht ansatzweise getroffen.

Mehr dazu:

Weitere Meinungen zum Buch aus der zugegebenermaßen sehr kritischen Leserunde von #bbfliest gibt es bei:

Kitsune’s Welt der Bücher

AberRush auf Lovelybooks

Leseratz

Crumb von Kejas Blogbuch

Kasin von Kejas Blogbuch

Den Appell von Jürgen Albers in seiner Rezension auf Lovelybooks will ich allen ganz besonders ans Herz legen.

Und wer glaubt, dass “Trinity – Verzehrende Leidenschaft” so etwas wie ein Ausrutscher war und zum Beispiel das wohl bekannteste Buch dieses Genre “50 Shades of Grey” keine grundsätzlichen Probleme mit zwischenmenschlichen Beziehungen hat, dem empfehle ich dringend einen Blick auf diesen Beitrag zum Thema von Lydia Benecke.

Und hier gibt’s ein tolles Youtube-Video mit einer leidenschaftlich vorgetragenen Wahrheit über ungesunde Beziehungen in Young Adult Büchern. Leider auf englisch, aber werft trotzdem einen Blick darauf.

Bei Kejas Blogbuch gibt es einen wunderbar geschriebenen Artikel über Gewaltverherrrlichung in Romance-Jugendbüchern, der zum Nachdenken anregt und den ich allen ganz dringend empfehlen möchte.

Bei Julias Sammelsurium findet sich eine Rzension zu Band 4 “Bittersüße Träume”, die zeigt, dass es mit der Reihe gerade so weiter geht, wie es in Teil 1 gestartet ist.

 


Ich bedanke mich bei Netgalley für das Rezensionsexemplar

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7 Jahre her

Ich habe eure Tweets wirklich gerne mitverfolgt und musste über eure Formulierungen oft grinsen. Deine Rezension ist dir wirklich gelungen, ich werd dem Buch wohl nie wieder einen zweiten Blick würdigen. Besonders lustig finde ich die Zitate, mein liebstes ist “und hüpfe auf ihm wie ein Springstock” :,D Und dieses verkeitle Stahlrohr hört sich echt schmerzhaft an. Gibt es wirklich Leute, die so etwas erotisch finden?
Viele Grüsse
Julia

Sven
7 Jahre her

Deine Rezi ist toll. Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen:)

Nein, du hast fast eins zu eins “Dirty Dancing” zum Einstieg zitiert, schäme dich :P

Du hast eine wunderbare Rezension verfasst, die alles genau auf den Punkt bringt! Und ebenso aufzeigt was und warum dich (uns alle) störte! Ich kann deine Worte einfach nur unterschreiben & ergänzend sagen: ich bin schokiert über die Message die rüber gebracht wird!

Liebste Grüße,
Janna

Reply to  Gabi

Ja, so wie Chase das dauerhaft betont ist zum Haare raufen und ja, eben!! Er sagt nicht Gillian gehört zu ihm, sondern ist sein Eigentum *schüttel*

Barbara
7 Jahre her

Ich kann nur so viel sagen: diese Rezension spricht mir absolut aus dem Herzen. Zumindest zu jenen Teilen des Buchs die ich gelesen habe- denn nach 200 Seiten habe ich frustriert aufgegeben. ;)

Juchuuuuuu, noch jemand der Trinity so ätzend fand. Liebe Gabi, deine Rezension ist so toll und spricht mir aus dem Herzen.
Nicht homogen passt super gut und die gewählten Zitate passen perfekt.
Hach, ohne die BBF-Truppe wäre es bei mir schon nach den ersten Kapiteln gelöscht worden.
Wenn das mal keine Lesenserfahrung der besonderen Art war ;-)
Gerade auch die Sprache – so unterhalten sich doch keine erwachsenen Frauen, also ich kenne keine die so spricht.
Ganz liebe Grüße, wir lesen uns
Kerstin

6 Jahre her

Hey!
Ich hatte sowieso schon kein Interesse an dem Buch, aber nach deiner Rezension weiß ich nun endgültig, dass dieses Buch nicht meinem Geschmack entspricht. Ich habe mich beim lesen deiner Rezension wahrscheinlich mehr unterhalten gefühlt, als es das Buch könnte. DANKE
Hab ein schönes Wochenende
LG
Yvonne