Darum geht’s:
Mit dem Anschluss Österreichs ans Nazi-Deutsche Reich brechen harte Zeiten für die beiden Wiener Schriftsteller Mathias Kraemer und Johannes Namal an. Der schwelende Antisemitismus wandelt sich in immer radikalere Judenverfolgung und die beiden jüdischen Cousins überlegen, wie sie damit umgehen sollen. Das Land verlassen oder untertauchen? Die falsche Entscheidung kann KZ für sie bedeuten – oder für ihre Familien.
So fand ich’s:
Wien befindet sich im Jahr 1938 im Umbruch. In kürzester Zeit werden dort die Nazi-Gesetze etabliert und für die beiden bekannten Schriftsteller Mathias und Johannes ändert sich ihr ganzes Leben. Wir begleiten die beiden Cousins, die sich so nahestehen wie Brüder, abwechselnd und spüren das Unbehagen, wenn sie sich z. B. in der Öffentlichkeit bewegen und Personenkontrollen fürchten müssen, überaus deutlich. Selbst ihre christlichen Ehefrauen können ihre Kinder nicht vor Einschränkungen und zunehmender Verfolgung schützen.
Von dieser Phase zu lesen, war unangenehm für mich, weil ich tatsächlich gewisse Parallelen zur Gegenwart ziehen konnte. Wenn bestimmte Volksgruppen mit Vorurteilen überzogen und öffentlich zum Schuldigen für alles Mögliche erklärt werden, sind wir auch ganz schnell bei der Tagespolitik im Jahr 2025.
Johannes und Mathias sehen sehr wohl, was auf sie zukommen könnte, doch sie haben keine Idee, wie sie sich am besten verhalten sollen. Das Land zu verlassen hieße, die Familie auseinanderzureißen und so gut wie das ganze Vermögen zu verlieren, das für einen Neuanfang dringend nötig wäre, und zu bleiben bedeutet, in eine gefährliche und ungewisse Zukunft zu schauen. Am Rande erfahren wir, wie der berühmte Sohn Wiens Sigmund Freud sich entschieden hat, zu dessen Dunstkreis auch die beiden Cousins gehören.
Wir wissen, wie es weltpolitisch weiterging, doch das Schicksal von Johannes und Mathias hängt ab von Helfern wie ihrem Literaturagenten Julian Reisner, dem befreundeten Polizisten Josef Weber, oder unbekannten Mitgliedern eines Helferkreises, aber auch davon, wie viel persönliches Interesse Heinrich Schnabel, Scharführer der österreichischen SS, an ihnen beiden entwickelt. So gut wie niemand ist nur gut oder nur böse und man kann sich bei keinem sicher sein. Es herrschen Angst, Erpressung, Gier, aber auch Großmut und Selbstlosigkeit.
Vor die einzelnen kurzen Kapitel ist jeweils ein Zitat von Sigmund Freud oder ein Auszug aus den Nazi-Vorschriften gestellt, die das Leben der Juden Stück für Stück mehr erschwerten. Auch das macht die Erzählung noch realer.
Wie auch die Zeit und die Schicksale, die “The Vienna Writers” beschreibt, ist das Buch keine lockere und leichte Lektüre, kann gar nicht fröhlich-unterhaltsam sein. Es ist packend und schnürt einem die Kehle zu, weil man eindringlich miterlebt, was die beiden Familienväter Mathias und Johannes und auch ihr Umfeld erleben und erdulden müssen. Das Buch erzählt die Geschichte zweier jüdischer Schriftsteller in Nazi-Österreich und ist zugleich eine Mahnung an uns heute, die Vergangenheit nicht zu verharmlosen oder gar zu verklären.
Ich war mit Johannes und Mathias mittendrin in dieser schrecklichen Zeit, die auch in Österreich und nicht nur in Deutschland Wunden geschlagen und Leben gekostet hat, so mitreißend, dass ich das Buch in kürzester Zeit verschlungen habe. Eine Lektüre wider das Vergessen, die ich allen absolut ans Herz legen möchte.
Mehr dazu:
Weitere Meinungen zum Buch:
(wird ergänzt)
Werbung

Titel: The Vienna Writers – Sie schrieben um ihr Leben
Original-Titel: The Vienna Writers Circle
Autor/in: J.C. Maetis
Übersetzer/in: Gabriele Weber-Jarić
ISBN / ASIN: 978-3492064309
Sprache: Deutsch
Genre: Roman
Verlag: Piper
Erscheinungsjahr: 2024
Medium: Taschenbuch
Seitenzahl: 464
Klappentext- und Bildquelle sowie Buchdetails: Verlagsseite