Darum geht’s:
Nick ist Student, sieht toll aus und lässt bei willigen Männern nichts anbrennen. Im Moment braucht er dringend Geld. Also wagt er es und meldet sich auf das mysteriöse und sehr gut bezahlte Angebot, einem Mann, der sich ihm nicht zeigen will, eine Woche lange Gesellschaft zu leisten. Es dauert nicht lange, bis Nick herausfindet, dass Marius, sein neuer Arbeitgeber, früher ein blendend aussehender Playboy der High Society war, bis ihn ein Unfall total entstellt und ihm jedes Selbstbewusstsein geraubt hat. Er hat sich völlig zurückgezogen, doch die Sehnsucht nach menschlicher Gesellschaft hat ihn auf die verrückte Idee gebracht, sich jemanden zu kaufen, der ihm Sympathie vorspielt. Wenigstens für eine Woche.
So fand ich’s:
Nick ist nicht gerade liebeswert. Er selbst ist der Erste, der zugibt, dass er sich nimmt, was er möchte, dass seine Libido oft genug seine Entscheidungen lenkt, aber dass er nicht besonders gut in zwischenmenschlichen Beziehungen ist. Vor seinem Unfall wäre Marius sein Jackpot gewesen, mit einem Äußeren, das genau in Nicks Beuteschema passt, enorm reich, mit besten Kontakten zum Jet Set. Genaus so will Nick auch sein. Das Häufchen Elend, mit dem es Nick jetzt zu tun hat, verbirgt sich im Schatten, ist verunsichert und sehnt sich doch nach menschlicher Nähe. Gleichzeitig stößt Marius jeden weg, der ihm zu nah kommt und reagiert mit Aggressionen. Nick hat Zweifel, dass er eine Woche mit diesen Stimmungsschwankungen klar kommt. Andererseits ist da diese unfassbar große Geldsumme. Und dann hat Marius etwas an sich, das Nick fasziniert.
Coco Zinva hat es geschafft, das Verhalten beider Männer nachvollziehbar und lebensecht zu machen. Sie schreien sich an, rennen weg, kommen zurück und legen ihre Gefühle offen, schrecken zurück und fangen damit wieder von vorne an. Marius kann nur an das glauben, was er mit Geld kaufen kann und Nick ist nicht in der Lage zu heucheln. Und doch kriegen sie es irgendwie immer besser hin, sich langsam aufeinander zuzubewegen und sich auf einen schwierigen Weg zu machen, hinter die Fassade zu schauen und zu vertrauen. Beide zweifeln, dass sie es schaffen und das macht sie nur umso menschlicher.
Ein Hauch von “Die Schöne und das Biest” weht durch das Buch. Wir erleben ein Wechselbad von emotionalen, märchenhaften, dramatischen, dann aber auch wieder humorvollen oder auch mal sexy und erotischen Szenen. Vor allem wegen Nicks lockerer Art zu erzählen, rutscht das Buch nie ins Melodramatische ab.
Es gibt Nebencharaktere, die die Story bereichern. Besonders Marius’ Hausangestellter Frank, den Nick in Anlehnung an Batmans Diener lieber Alfred nennt, ist die gute Seele der Geschichte. In Daniel hat Nick einen guten Freund und Ratgeber gefunden. Aber auch die Geschwister Heydegger spielen hier eine kleine, aber entscheidene Rolle. Ihre eigene Geschichte wird in “Boxhandschuhe und Seidenkrawatte” bzw. “Boxhandschuhe und Perlenkette” erzählt, denn diese Bücher hängen lose mit “Bitte, lüg mich an!” zusammen. Genauso wie “Mucksmäuschenstill”, in dem Daniels Freund Valentin die Hauptrolle spielt. Man kann “Bitte, lüg mich an!” auch sehr gut verstehen, ohne die anderen Bücher gelesen zu haben. Aber mir hat es so gut gefallen, dass ich die anderen Bücher auch ganz sicher lesen werde.
In diesem Buch wird nichts beschönigt, nichts weggelassen, sondern in jedes emotionale Tief eingetaucht und die Möglichkeiten ausgelotet, wie weit jemand seine Hemmungen und Vorurteile überwinden und über seinen Schatten springen kann. Aber trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – ist das ein wunderschönes und positives Buch, das einen berührt.
Weitere Meinungen zum Buch gibt es hier:
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