Mühlensommer von Martina Bogdahn

Darum geht’s:

Maria freut sich auf ein Wanderwochenende mit Freunden, als sie ein Anruf ihrer Mutter erreicht. Ihr Vater ist bei Waldarbeiten schwer verletzt worden, Maria muss schnell kommen und mit den Tieren helfen, sich um die demente Oma kümmern und ihrer Mutter beistehen. Während sie und ihre Mutter auf Nachrichten aus dem Krankenhaus warten, lässt Maria ihre Kindheit auf dem Bauernhof wieder aufleben.

So fand ich’s:

Der “Mühlensommer” war nicht nur für Maria, sondern auch für mich eine Reise in die Vergangenheit und gleichzeitig ein kleiner Ausblick in eine mögliche Zukunft. Die Kapitel wechseln zwischen dem Heute und Marias Erinnerungen an ihre Kindheit auf dem Bauernhof, wobei es sich hier wie dort oft um die gleichen Themen dreht. Das schafft eine schöne Verbindung über die Zeit hinweg. Was Maria selbst vor Jahrzehnten erlebte, entdecken teilweise ihre Teenagertöchter heute neu auf dem Hof der Familie. Manches ist gleichgeblieben, bei einigen Dingen hat sich die Perspektive aber erstaunlich weit geändert.

Maria wird mit Tieren groß, auf einem arbeitsintensiven Bauernhof, auf dem auch Maria und ihr Bruder mit anpacken müssen, in einer kleinen Dorfgemeinschaft und kann aus einem quasi unerschöpflichen Fundus an Anekdoten erzählen. Maria erinnert sich aber nicht nur an glückliche Zeiten, sondern auch daran, dass sie sich ein anderes Leben vorstellte, dass sie von Benetton-Pullovern träumte statt von veralteten Modellen von Kleider-Hofmann, und dass man sie nicht sofort am Geruch als Bauernkind erkennen kann. Inzwischen ist sie lange erwachsen und ein “Stadtkind”, fühlt sich wohl in ihrem Leben. Dass Maria sich selten auf dem Hof sehen lässt, sich aber vehement dagegen wehrt, dass ihre Schwägerin ihr ehemaliges Kinderzimmer anderweitig nutzt, zeigt deutlich, wie zwiegespalten sie ihrem früheren Zuhause gegenübersteht.

Der Besuch in der Birkenmühle, wie der Bauernhof der Familie heißt, schafft eine Gelegenheit, ihren Bruder wiederzusehen und sich zu versöhnen, denn die beiden Geschwister haben sich entfremdet.

“Mühlensommer” ist ein stilles Buch, macht nachdenklich, man muss lächeln und auch mal den Kloß im Hals runterschlucken. Es lädt dazu ein, gedanklich abzuschweifen in die eigene Jugend – ich habe so einiges aus Marias Erzählungen so oder so ähnlich selbst erlebt – und sich auch an den Streichen und kleinen Abenteuern von Maria und Bruder Thomas zu erfreuen.

Was man früher hinter sich lassen wollte, sieht man später vielleicht mit ganz anderen Augen. Ein Weitergehen auf dem eigenen Weg bedeutet unter Umständen auch, einen Schwenk zurück zu machen, oder einen neuen Weg zu finden, der alles verbindet, was einem wichtig ist. Ohne erhobenen moralischen Zeigefinger bringt Martina Bogdahn einem solche Gedanken in den Sinn.

Martina Bogdahn erzählt lebendig und bunt auf eine leise Art, man ist mittendrin in Marias Leben, und ich wurde durch ihr aktuelles und ihr früheres Leben gut unterhalten. Das Buch setzt nicht auf Spannung, sondern auf Atmosphäre und die kleinen Freuden und Leiden eines gelebten Lebens.

Am 16. Mai ist Martina Bogdahn zu einer Autorenlesung hier in der “Bücherstube” und ich freue mich schon sehr auf diese Veranstaltung.

Mehr dazu:

Weitere Meinungen zum Buch:
(wird ergänzt)

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Titel: Mühlensommer
Autor/in: Martina Bogdahn
ISBN / ASIN:
‎ 978-3462004786
Sprache:
Deutsch
Genre: Roman
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erscheinungsjahr:
2024
Medium:
Hardcover
Seitenzahl Print: 336
Klappentext- und Bildquelle sowie Buchdetails: Verlagsseite

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