Darum geht’s:
Nel Arta will den letzten Schritt wagen und endlich die geschlechtsangleichende OP, um komplett eine Frau zu sein. Da sie aber weder durch die Tortur der psychologischen Gutachten will, noch viel Geld zur Verfügung hat, kommt sie auf die Idee, die OP günstig in Brasilien durchführen zu lassen. Als sie dort aber ankommt, stellt sie sehr schnell fest, dass hier vieles nicht mit rechten Dingen zugeht.
So fand ich’s:
Es gab so einige Dinge, die mir die Lektüre dieses Buches schwer machten.
Die Erzählweise war sprunghaft und mit schnoddrigen Redewendungen durchsetzt, die meinen Lesefluss störten. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich soweit damit arrangiert hatte, dass ich mich auf den Inhalt konzentrieren konnte.
Die portugiesischen Dialoge wurden nicht laufend im Text erklärt, sondern man musste sie in einem Glossar am Ende des eBooks nachschlagen. Dieses Hin und Her war bei einem eBook nicht besonders komfortabel. Irgendwann habe ich darauf verzichtet, nach der Übersetzung zu fahnden und es hingenommen, einen kleinen Teil der Story zu verpassen.
Nels Erlebnisse auf einer Privatparty waren ekelhaft und so empfand es Nel selbst auch. Genau wie sie musste ich mich zusammenreissen, um überhaupt weiterlesen zu können. Das war mir zu heftig, zu ausführlich und zu detailiert. Der schöne Sex mit jemandem, den Nel tatsächlich gern hat, wurde dagegen mit einem kurzen Satz abgehandelt.
Weder zu Nel noch zu einer der anderen Personen konnte ich eine emotionale Nähe aufbauen. Im Stile eines Hard Boiled Krimis geschrieben blieb Nel für mich relativ emotionslos, obwohl auch die Rede davon war, dass sie z. B. wütend wurde, weinte oder Schmerzen hatte. Ich habe darüber gelesen, aber mit-fühlen konnte ich das nicht.
Ich habe auch immer mal die Orientierung verloren, wenn zu viele Personen in einer Szene beteiligt waren. Ich konnte mich nicht an die Namen von Personen erinnern, wenn sie nach längerer Zeit wieder auftauchten, obwohl das Buch an sich nicht besonders dick ist. Der Grund dafür liegt wohl darin, dass den Personen – bis auf Nel selbst – die Indiviudalität fehlte, damit sie mir im Gedächtnis geblieben wären.
Das karge Leben in einer Favela wurde allzu plastisch dargestellt und hat bei mir nur das Gefühl erzeugt, ich müsste dringend unter die Dusche. Sozialkritische Aspekte wurden zwar angedeutet, aber mehr auch nicht, so dass es auch hier nur zu einer Irritation reichte.
Eine lange Reihe von miesen Charakteren und Verbrechern liefen Nel über den Weg. Selbst die Guten hatten Dreck am Stecken und waren gezwungen, Gesetze zu übertreten, um über die Runden zu kommen. Nel hasste viele der Leute, mit denen sie zu tun hatte und beschrieb sie als widerliche Idioten. Gewalt, Mord, sexuelle Nötigung, Erpressung, Bestechung, Korruption und Geldgier bestimmten das Schicksal von Nel. Das Ganze war ein so undurchdringlicher Sumpf von negativen Erlebnissen und Gefühlen, dass ich mich zwischendurch mehr als einmal gefragt habe, wieso ich das lesen muss. Und es gab sehr wenig, was diesen Sumpf an Negativem wieder ausgleichen konnte und mir doch noch ein bisschen Lesegenuss verschaffte.
Nel war eigentlich nie in der Position der Handelnden. Sie hatte keinen wirklichen Plan, ließ sich treiben und reagierte hauptsächlich auf das, was ihr passierte. Irgendwelche Ermittlungen, die sie aktiv gestaltete, gab es nicht. Ihre Informationen bekam sie eher zufällig. Deshalb war der Krimianteil für mich nicht besonders gelungen.
Manche Sprachspielereien haben mir gut gefallen. Ab und zu konnte ich auch schmunzeln, wenn auch selten. Die Story war insofern spannend, dass Nel sich immer weiter in Schwierigkeiten brachte und man sich fragte, wie sie da jemals wieder herauskommen will. Leider hat mich das Ende und die Auflösung dieser Frage nicht mit der Geschichte versöhnt.
Mit Nel Arta hat dieses Buch eine transsexuelle Person als Hauptdarstellerin, was mich auf neue Einblicke und interessante Besonderheiten hoffen ließ. Durch ihre zu bemüht coole Art gepaart mit einer gehörigen Portion Ignoranz, Naivität und Sturheit an der falschen Stelle, war sie mir aber nicht unbedingt sympathisch. Das Thema Transsexualität wurde für meinen Geschmack auch nicht wirklich sensibel portraitiert, sondern kam eher durch verschiedene Begegnungen mit “wohlmeinenden” Menschen vor, die völlig ungehemmt dumme oder gar sehr dumme Fragen stellten. Es wirkte fast wie eine Persiflage des Themas. Und auch hier hätte ich mir mehr Einblicke in Nels Seelenleben erhofft.
Insgesamt hat dieses Buch mich weder gut unterhalten noch in eine Romanhandlung verpackt zum Thema Transsexualität quasi aus erster Hand informiert. Die Idee, eine transsexuelle Protagonistin zu erschaffen, hat mir sehr gut gefallen. Leider hat die Umsetzung meinen persönlichen Lesegeschmack so überhaupt nicht getroffen.
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