Darum geht's:
Frank wächst in der hessischen Provinz nahe der innerdeutschen Grenze auf. Die große weite Welt ist weit weg und er versucht, dem provinziellen Mief das Beste abzugewinnen. Mit Augenzwinkern erzählt er von seiner Kindheit und Jugend im Zonenrandgebiet in den 1980er Jahren.
So fand ich's:
Dies ist wieder mal ein Buch, bei dem der Klappentext auf den völlig falschen Pfad führt. [Achtung Mini-Spoiler] Der zweite Absatz des Klappentextes: "Doch gerade als Franky glaubt, dass er alle Herausforderungen gemeistert hat, geschieht es: Die Mauer fällt. Und plötzlich fliegen die schönen Töchter des Ostens auf Franky, bereit zur Wiedervereinigung" passiert nämlich erst auf den letzten 20 Seiten und hat für das Buch im Grunde keine wirkliche Bedeutung. Wieso das völlig übertrieben (es war nur eine "Tochter des Ostens") als Anreißer auf dem Klappentext landete, ist mir schleierhaft.
Ich bin selbst ein Zonenrandkind und nur wenige Jahre älter als der Autor. Deshalb war ich sehr gespannt darauf, was Tim Boltz zu erzählen hatte. Und er hat es geschafft, mich in einen nostalgischen Rückblick auf meine eigene Jugend in der fränkischen Provinz im Zonenrandgebiet zu schicken.
Genau wie Frank, der darauf besteht, Franky genannt zu werden, weil das cooler ist, kannte ich Jungs, die bei ihren Mofarunden die Helme am Ellenbogen statt auf dem Kopf trugen, die Hausnamen, mit denen die alteingesessenen Familien sich von den Zugezogenen abgrenzten (meine Familie hat in dem Dorf, aus dem ich komme, auch einen Hausnamen), den Schulausflug ins Senckenbergmuseum in Frankfurt (da sollte ich auch mal wieder hin!) und die Partys, bei denen so manchem das Bier ein zweites Mal durch den Kopf ging und man noch stolz darauf war. Ich bekam einige Stichworte und Szenen präsentiert, die mir aus meiner eigenen Jugend so bekannt vorkamen und die mir ein Schmunzeln aufs Gesicht zauberten.
"Zonenrandkind" ist ein sehr persönlicher Rückblick mit einerseits typischen, aber andererseits auch individuellen Erfahrungen aus der Jugend. Vieles davon hat sich in anderen ländlichen Regionen Deutschlands sicherlich ganz genau so abgespielt und die Angst davor "dass der Russe kommt" war nicht auf das Zonenrandgebiet beschränkt. In meiner nostalgischen Gedankenreise ist mir aus meiner eigenen Jugend vieles eingefallen, das "typisch Zonenrandgebiet" war und das ich in diesem Buch ein wenig vermisst habe.
Ganz typisch war z. B. für meine Kindheit, dass es bei uns keine Sportflugzeuge in der Luft gab und wir alle mit Bedenken aufschauten, wenn ein Fesselballon oder ähnliches am Himmel zu sehen war. Man durfte die innerdeutsche Grenze nämlich nicht überfliegen (von beiden Seiten). Manchmal rummste es gut hörbar, wenn wieder mal ein Hase oder ein Reh eine Mine ausgelöst hatte - irgendwann kamen die Minen weg, aber ich bin mir nicht sicher, ob die alle gefunden wurden. Ein paar davon wurden auch in den Westen geschwemmt und sind dann näher als gedacht hochgegangen. Am 17. Juni, der mal als "Tag der deutschen Einheit" (zum Gedenken an den Volksaufstand in der DDR 1953) ein Feiertag war, gab es Wanderungen an der innerdeutschen Grenze entlang, bei der man zwischendurch Etappenstempel und am Ende eine Medaille bekam. In meinem Elternhaus müssen da noch einige von mir herumliegen. Solche Ereignisse und viele mehr, die tatsächlich typisch für das Zonenrandgebiet sind, gab es zwar im Buch, aber ich hätte mir mehr davon gewünscht. Denn ein tatsächlicher Schwerpunkt war das Zonenrand-Thema nicht.
Der Erzählton war locker und passte gut zu einem Jugendlichen. Die Teenager-Sicht war sehr gut eingefangen und Franky bedient sich einer Erzählweise, die zwar weltmännisch klingen will, aber auch sehr liebevoll auf die Schrullen des Dorflebens schaut. Es "menschelt" und deshalb machte es auch Spaß, diese Jugenderinnerungen zu lesen.
Mehr dazu:
Weitere Meinungen zum Buch:
Lesenswertes aus dem Bücherhaus
Herzlichen Dank an Manuela von "Lesenswertes aus dem Bücherhaus" dafür, dass sie mir ihr Buch überlassen hat!
Werbung
Titel: Zonenrandkind
Autor: Tim Boltz
AIBN / ASIN: 2919805746
Sprache: Deutsch
Genre: Roman
Verlag: Tinte & Feder
Erscheinungsjahr: 2019
Medium: Taschenbuch
Seitenzahl: 304
Klappentext- und Bildquelle sowie Buchdetails: Homepage des Autors