Darum geht’s:
Wien zur Zeit der k. u. k. Monarchie: Der Student Stanislaw Demba ist von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends in der Stadt unterwegs. Er braucht Geld für die Frau, die er liebt. Doch durch sein merkwürdiges Benehmen steht er sich selbst im Wege und seine Mitmenschen tun ihren Teil dazu, dass Demba immer wieder mit Hindernissen konfrontiert wird. Und wieso versteckt er so konsequent seine Hände?
So fand ich’s:
Eine lange Zeit ist nicht klar, wieso Demba seine Hände nicht benutzt, obwohl er sie dringend braucht. So hat er es zum Beispiel sehr eilig, an ein sättigendes Butterbrot zu kommen, ziert sich dann aber mit einigen Ausreden und Verzögerungstaktiken, es von der Kioskbetreiberin zu nehmen. Ich wurde neugierig, was mit ihm los ist, dass er derartige Verrenkungen macht, weil er seine Hände nicht zeigen will. Natürlich verrate ich das hier nicht, das können alle für sich beim Lesen herausfinden und für mich lag ein großer Spaß darin, eine Weile zu rätseln. Im Klappentext wird es leider schon verraten, also lest keine Klappentexte! ;-)
Auf Dembas Odyssee durch Wien trifft er auf ein buntes Sammelsurium von Menschen und wer gerne im Cafe sitzt und Leute beobachtet, der wird auch hier seine helle Freude haben. Die Personen, denen er begegnet, sind genauso einzigartig, skurril und verschroben wie Demba selbst und durchweg sehr unterhaltsam. Demba denkt gar nicht daran, sich zurückzuhalten und sein “Problem” in Einsamkeit auszusitzen, sondern er begibt sich manchmal absichtlich in Situationen, die ihn an seine Grenzen bringen oder seine Mitmenschen vor den Kopf stoßen. Denn die Frau, die er liebt, will mit einem anderen Mann verreisen und er braucht Geld, um Sonja eine bessere Reise bieten zu können. Seine Abenteuerlust und das Geldproblem treiben ihn um von einer prekären Situation in die nächste.
Da das Buch bereits 1918 geschrieben wurde, ist die Sprache etwas altertümlich, was beim Lesen allerdings nicht stört, sondern eher die Geschichte noch unterstreicht und absolut dazu passt. Demba zeigt uns verschiedene Milieus der Stadt, vom Bürgertum über Spielsüchtige bis zu schwatzhaften Hausfrauen. Ich habe die Atmosphäre sehr genossen und bin gerne mit Demba durch Wien gewandert, auch wenn der Protagonist selbst oft genug gehetzt und geplagt war. Ich war hin und her gerissen zwischen Amüsement und Mitleid und das Ende ist so abgeschlossen wie nur möglich, lässt aber auch verschiedene Interpretationen zu.
Mit “Zwischen neun und neun” habe ich einen Ausflug weg von den aktuellen Bestsellerlisten und Neuerscheinungen zu einem etwas unbekannteren, älteren Buch gemacht. Den Autor Leo Perutz kannte ich bisher nur als Namensgeber für einen österreichischen Krimipreis. Dieser Abstecher hat sich aber total gelohnt und ich empfehle allen, es mir nachzutun!
Mehr dazu:
Weitere Meinungen zum Buch:
(wird ergänzt)
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Titel: Zwischen neun und neun
Autor/in: Leo Perutz
ISBN / ASIN: 978-3423132299
Sprache: Deutsch
Genre: Roman, historisch, Klassiker
Verlag: dtv
Erscheinungsjahr: 2004
Medium: eBook
Seitenzahl: 224
Klappentext- und Bildquelle sowie Buchdetails: Verlagsseite