Fukushimnobyl von Andreas Gröhl

Darum geht’s:

Verena Meier ist die Neue im Kernkraftwerk Unterweser. Sie ersetzt den spurlos verschwundenen Golo Hansen und übernimmt auch dessen PC. Darauf findet sie zufällig eine Datei, die ernsthafte Zweifel an der Sicherheit des Kernkraftwerkes aufkommen lässt und die auch die Ursache für Hansens Verschwinden sein könnte. Verenas Neugier ist geweckt und sie beginnt, der Sache nachzugehen.

So fand ich’s:

Das tolle Cover, der Titel und der Klappentext haben mich sofort angesprochen. Während der ersten hundert Seiten war ich allerdings ziemlich irritiert, weil ich überhaupt nicht das bekam, was ich erwartete – dann hatte ich mich damit abgefunden, dass es sich nur allmählich in diese Richtung entwickelte. Ich hatte mit einem temporeichen Thriller gerechnet, mit dramatischen Entdeckungen, deren öffentliches Bekanntwerden verhindert werden soll, geldgierige Wissenschaftler oder korrupte Politiker, die einen Super-Gau riskieren, um die eigene Karriere voranzubringen.

Stattdessen bekam ich ausführliche Informationen über Bremen, Bremerhaven und die Gegend dazwischen, die sich stellenweise so lasen, als wären sie aus einem Werbeprospekt für die Region entnommen. Leider waren sie auch nicht immer so in die Handlung eingebunden, dass es harmonisch dazu passte und wie selbstverständlich wirkte. Besonders auffällig waren diese Brüche auch noch, wenn für diese Touristeninformationen – genauso wie auch sonst ab und zu, wenn Fakten berichtet wurden – von der üblichen Vergangenheits- in die Gegenwartsform gewechselt wurde. Ich fragte mich immer, wieso diese Fakten für die Handlung später noch wichtig werden konnten – vorweg genommen, sie wurden es nicht. Z. B. ging es eine Weile darum, wie denn die Kirche in der Nähe hieße, das wurde mehr als einmal thematisiert und am Ende war es doch völlig egal.

Ein weiterer Teil der Handlung wurde von der Familiengeschichte der Heldin Verena Meier bestimmt, die ich leider auch zu ausführlich und zu uninteressant fand. Das Verhältnis zu Verenas unsympathischem Vater und der überforderten Mutter war weder unterhaltsam noch war es in dieser detailverliebten Ausführlichkeit erforderlich, um Verenas Beweggründe und ihre Einstellung zum Leben zu erklären.

Der Ex-Freund Udo Lenker war ein heruntergekommener Kleinkrimineller, der vor Selbstüberschätzung und Ignoranz nur so strotzte. Trotzdem ließ sich Verena auf eine kurze Affäre mit ihm ein, was ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Ab da mutierte Lenker zu einer Karrikatur seiner selbst, weil ich wirklich jede Szene, in der er auftauchte, total unrealistisch übertrieben und für meinen Geschmack einfach humorlos lächerlich fand. Doch Lenker war nur die Person, die mir am wenigsten lag, ich konnte keiner Person wirklich in die Seele schauen und ihr nahe kommen, alle blieben distanziert, überzeichnet und schablonenhaft, oft genug auch unsympathisch. Ich bin mir nicht sicher, ob gewisse Dinge lustig bzw. ironisch gemeint oder doch tatsächlich ernsthaft so gedacht waren. Im ersten Fall hat das mein Humorzentrum überhaupt nicht getroffen, im zweiten Fall hätte auch das für mich keinen Unterhaltungswert gehabt.

Am Ende wurde es für mich noch mal richtig absurd, als sich beispielsweise Verena mitten im Showdown kurz vor dem GAU darüber aufregte, dass “Fischkopf” ein nicht mehr zeitgemäßes Schimpfwort wäre, weil in Bremerhaven der Fisch mittlerweile an Bedeutung verloren hatte. Solche Ausreisser rissen mich total aus der Handlung und zerstörten die im letzten Drittel dann doch vorhandene Spannung leider wieder.

Die gemächliche und umständliche Schreibweise passte eher zu einem simpel gestrickten, biederen Familienroman. Oft genug fand ich sie auch nur hölzern, und mit falsch zusammengeklöppelten Versatzstücken von Sprichwörtern und Redewendungen gesprickt (“Heimchen hinter dem Herd”, “kurzzeitig zog sie sogar in Erwähnung”, “fragte beiläufig vor sich hin”, “unumwunden rief er zurück”). Verenas Töchter wechselten ihre Namen immer mal wieder von Milli und Molli zu Milly und Molly, was ich ärgerlich weil unnötig fand. Ich hatte durch das ganze Buch meine Probleme mit der Sprache. Ich kann jedem nur empfehlen, erst einmal mit einer Leseprobe (gibt’s z. B. bei Amazon) zu testen, ob sie einem liegt.

Die Zitate berühmter Personen am Anfang der 50 Kapitel fand ich aber wieder sehr gelungen.

Insgesamt war das Thema und die Idee dahinter toll und man hätte sicher auch einen spannenden Thriller daraus machen können. Doch die übergroßen Anteile an langweiliger Familiengeschichte und lokalgeschichtlichen Abschweifen und Beschreibungen der Region sowie die verschwurbelte Sprache haben daraus einen Mix gemacht, der nicht meinem Geschmack entsprochen hat.


[Werbung] Klappentext- und Bildquelle sowie Buchdetails: Verlagsseite

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