[Lesung] Chris Carter las am 24.10.2018 in Würzburg aus “Blutrausch – Er muss töten”

Chris Carter ist in der Hitliste der Thrillerautoren, die ich gerne lese, ganz weit oben. Entsprechend begeistert war ich, als ich hörte, dass es in Franken eine Lesung mit ihm geben wird. Die Eintrittskarte war schnellstens gesichert (tatsächlich steht auf meiner die Nummer 1!) und ich freute mich schon Monate vorher auf die Lesung.

Die Hugendubel-Filiale in Würzburg hatte schon Cody McFadyen zur Lesung in die Stadt gelockt und mit Chris Carter wieder einen Volltreffer gelandet. Das Ambiente dort ist mit luftigen Decken und Kronleuchtern sowieso einfach klasse. Wasser und Saft standen bereit und man konnte durch den Laden stöbern, bis die Lesung begann.

 

Auf der Bühne fanden sich dann neben Chris Carter (Mitte) auch noch der Moderator, Fragensteller und Übersetzer des Abends Günter Keil (rechts) und für die Lesung der deutschen Übersetzung der Schauspieler Detlef Bothe (links) ein.

Günter Keil stellte dem Autor ein paar gute Fragen und ich war begeistert zu erleben, dass man Chris Carter nicht alles aus der Nase ziehen musste. Ein Stichwort genügte und er plauderte ausführlich drauf los. Dabei ging es genauso um seine Bücher und sein Leben als Autor wie um ihn selbst als Person. Er berührte sehr ernste Themen, aber es gab auch einiges zu lachen, denn offensichtlich hat der Mann Humor und erwies sich auch als toller Unterhalter.

Natürlich wurde auch aus dem Buch gelesen, eine kurze Passage auf Englisch von Chris Carter und mehrere längere Passagen auf Deutsch von Detlef Bothe. Da ich das Buch selbst schon gelesen habe (zu meiner Rezension geht es hier), fand ich aber die Gespräche zwischen Chris Carter und Günter Keil bzw. das, was Chris Carter erzählte, wesentlich interessanter.

Geboren wurde er in Brasilien und fühlt sich auch als Brasilianer, obwohl er nicht die brasilianische Staatsangehörigkeit hat. Seine Eltern stammten aus Italien, weswegen er einen italienischen Pass besitzt, allerdings keine besondere Verbindung zu dem Land hat. Über seine Kindheit in Brasilia, der Hauptstadt Brasiliens, kam ihm als erste schöne Kindheitserinnerung in den Sinn, dass er von dort weg ist. Den meisten Leuten hätten ein Bild von Rio und Strandleben im Kopf, wenn sie an Brasilien denken, doch Brasilia ist zwei Flugstunden von Rio entfernt und in seiner Kindheit habe er keinen Strand gesehen.

In den USA studierte er Psychologie und arbeitete bereits mit 22 Jahren als Kriminalpsychologe. Diese Arbeit interessierte und faszinierte ihn sehr und verschaffte ihm auch sehr viel Hintergrundwissen für seine Thriller, aber besonders in so jungen Jahren stellt es auch eine große psychische Belastung dar. Das kam in seinen Erzählungen immer wieder durch. Als er berichtete, dass einer der ersten Fälle, die er selbständig zu bearbeiten hatte, ein Baby war, das man in die Mikrowelle gesteckt habe, herrschte betroffene Stille im Publikum. Witzige Geschichten von seinen Studentenjobs lockerten die Atmosphäre wieder auf. Günter Keil kam auf Chris Carters Karriere als Tänzer zu sprechen, doch Carter stellte gleich klar, dass es sich eher um eine spezielle Form von Ausdruckstanz handelte, denn er jobbte während seines Studiums unter anderem als Stripper, was beim Publikum ziemliche Begeisterung hervorrief.

Als ihm klar wurde, dass er den Beruf als Kriminalpsychologe nicht auf Dauer ausüben wollte, startete er eine ganz neue Karriere als Gitarrist und ging mit einigen Weltstars auf Tour. Die Erwähnung von Ricky Martin als Beispiel entlockte ihm ein schiefes Grinsen. In der Zeit als Rock-Gitarrist sei er auch die Aggressionen los geworden, die er als Kriminalpsychologe aufgebaut habe. Ein berühmter Musiker habe er aber nie werden wollen, denn die Weltstars könnten nicht einfach so im Supermarkt einkaufen oder abends nach dem Konzert in eine Kneipe gehen, sondern wären so von Fans belagert, dass sie meistens alleine im Hotel blieben. Die Band mit ihren verhältnismäßig unbekannten Gesichtern könnte aber gut in der Gruppe feiern und dieses Zusammensein und Partymachen habe ihm gut gefallen.

Inzwischen lebt er in London und sieht das als seine Heimat an. Gitarre spielt er nur noch ab und zu aus Spaß – obwohl ihm die Idee eines Autors, der ihn deswegen angefragt habe, gut gefallen hat: Eine Band bestehend aus dem Anfrager als Sänger, Sebastian Fitzek am Schlagzeug, Jo Nesbø am Bass und Chris Carter an der Gitarre. Diese Band könnte mich definitiv zu einem Konzert locken! Jetzt wüsste ich allerdings wirklich gerne, wer diese Idee aufgebracht hatte – Chris Carter hatte den Namen des anfragenden Autors leider nicht parat.

Wie er zur Schriftstellerei kam, hörte sich genauso fantastisch und ungewöhnlich an wie der Rest seines Lebens. Denn eines Tages setzte er sich hin und schrieb den “Kruzifix-Killer”. Ohne vorher große schreiberische Ambitionen zu haben oder auch nur eine einzige Kurzgeschichte vorher verfasst zu haben. Das Buch wurde gleich zum Bestseller. Und so spontan schreibt er auch noch heute. Mit nur einer vagen Idee setzt er sich an den Schreibtisch und lässt sich von seinen Figuren und den Situationen inspirieren. Ganz witzig war die Vorstellung, dass er tatsächlich Dialoge probiert, indem er sich am Tisch auf die verschiedenen Stühle setzt, je nachdem, wer spricht. Außerdem findet ihn seine Freundin schon mal am Boden liegend, wenn er die Lage einer Leiche simuliert.

Ein wenig erstaunt war er über die Frage aus dem Publikum, wie sehr die Figur von Carlos Garcia von ihm selbst inspiriert wäre, denn meistens würden ihn die Leute danach fragen, wie sehr Robert Hunter an ihn angelehnt sei. Tatsächlich hätten beide etwas von ihm. Wie Hunter leidet Chris Carter auch an chronischer Schlaflosigkeit und hat einen Faible für Whisky. Garcia hätte Chris Carters Humor und die Tendenz zum Sprücheklopfen – diese Ähnlichkeit habe ich gesehen :-)

Das nächste, also inzwischen schon 10. Buch mit Hunter und Garcia ist inzwischen schon fertig geschrieben – eine sehr erfreuliche Nachricht!

Am Tag nach der Lesung, an der ich teilgenommen habe, fand die Veranstaltung im Rahmen des Krimifestivals München dort ebenfalls statt. Denise Yoko Berndt hat sie besucht und ein paar kurze Videos der Veranstaltung aufgenommen und auch einen Lesungsbericht dazu geschrieben. Sie hat mir erlaubt, die Videos hier zu verlinken (Danke, Denise!). In München hat Chris Carter noch andere Dinge über sich erzählt, wie man aus den Videos entnehmen kann. Wer sich einen eigenen Eindruck verschaffen will, dem lege ich ihre Video-Ausschnitte bei Youtube wärmstens ans Herz. Und ich kann jedem nur raten, mal eine Lesung mit Chris Carter zu besuchen!

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Susanne
6 Jahre her

Liebe Gabi,

Ich fand die Lesung auch sehr interessant und unterhaltsam. Chris Carter kam sehr sympathisch rüber. Ich bin schon auf den 10. Band gespannt.

Liebe Grüße
Susanne

6 Jahre her

Das klingt ja toll! Mir war nicht bewusst, dass er eine so schillernde Persönlichkeit ist.

Natüüürlich feinst, wenn die Lesung in einer Buchhandlung statt findet – aber das könnte auch schnell ein finanzielles verderben sein :D
Und ich habe bis heute keinen Carter gelesen … Eigentlich wollte ich das schon ewig geändert haben, aber irgendwie … du kennst sowas ja, hihi.

Wow wie ausführlich du die Informationen des Abends nochmal wieder gibst! An dir ist doch eine kleine Karla Kolumna verloren gegangen! Und er simmuliert die Leichen indem er sich auf den Boden legt? Herrlich :D

6 Jahre her

So, mein Blogpost ist jetzt auch endlich fertig, drum konnte ich deinen endlich lesen (wollte mich nicht beeinflussen lassen ;-) ). Bei euch hat er viel mehr über seine Musikerkarriere erzählt, das hätte mich brennend interessiert. Und die Sache mit der Band! Und dass er als Student gestrippt hat! Nur genial.
Mein Post ist hier, falls du mal schauen willst: https://deniseyokoberndt.blogspot.com/2018/10/chris-carter-beim-krimifestival-munchen.html

J. M.
6 Jahre her

Hallo Gaby,
ein toller Lesungsbericht.
Mensch merkt Deine Begeisterung bei der Lesung durch den Bildschirm beim Lesen des Nachberichts. :-)
Am vergangenen Donnerstag war hier im Ort auch endlich die lang geplante und organisierte Sofalesung.
Solche hochkarätigen Thrillerautoren wie Chris Carter oder Sebastian Fitzek kann ich bzw. wir uns hier nicht leisten…lach…
Das finanzielle Disaster der der Lesung vor zwei Jahren mit einem deutschlandweit bekannten Krimiautor hat die Finanzen genug strapaziert, zumal vom Eintritt “Dank mangelnder Besucher” gerade mal 1/10 der “direkten Autorenkosten” gedeckt werden konnten.
Trotz Werbung auf verschiedenen Wegen waren die Besucher am Donnerstag aber noch mieser (ob es wirklich am Deutschlandspiel und an der anderen Besuchsmagnetveranstaltung in der Nähe lag…keine Ahnung).
Es ist zum Verzweifeln.
Der Autor sah das zum Glück sehr locker und war trotzdem sehr zufrieden (50 % mehr Bücher, die er verkauft hat, als Zuhörer da waren ist ja auch ein guter Schnitt ;-)), auch weil es für ihn eine Lesungspremiere war, aber an mir nagt es schon extrem… und irgendwie ist das auch für mich ein wenig peinlich…aber okay… ist jetzt halt so…ob ich allerdings nochmals sowas hier am Ort plane, organisiere und durchziehe… jetzt würde ich spontan ablehnen.
Es ist eh schwierig… es gibt viele Autoren, die eine abendfüllende Lesung etc. ablehnen und die anderen Autoren sind dann leider “teure Rampensäue”.
Eine große Buchhandlung bzw. Buchhandelskette tut sich da sicher leichter, auch um das Finanzielle abzufedern, sollten die Unkosten nicht wieder an dem Abend durch zahlreiche zahlende Besucher gedeckt werden können.

Deinen Nachbericht zur Lesung von Chris Carter find ich auf jeden Fall klasse. :-)