Berlin Requiem von Peter Huth

Darum geht’s:

In Berlin grasiert eine neue Krankheit. Einmal infiziert, verwandelt man sich nach einigen Stunden in so etwas wie einen Untoten und attackiert Gesunde, um sie zu beißen und auf diese Weise anzustecken. Kreuzberg und Neukölln sind durch eine Mauer abgeriegelt, Türme mit Scharfschützen bewachen die neue Todeszone, die Bevölkerung dort ist mehr oder weniger aufgegeben worden. Angeblich können nur Menschen erkranken, die “das Türken-Gen” in sich tragen. Menschen ohne Migrationshintergrund fühlen sich erst einmal sicher und der Sündenbock für die prekäre Lage scheint festzustehen.

In dieser Situation ergreift der in Ungnade gefallene Politiker Sentheim die Gelegenheit, um sich wieder ins politische Spiel zu bringen. Und dem Journalisten Robert Truhs werden brisante Informationen zugespielt.

So fand ich’s:

Über die erste Hälfte des Buches hatte ich das Gefühl, es ist weder ein ordentlicher Splatter-Zombie-Entzeitschocker noch eine sozialkritische Ausleuchtung der menschlichen Natur. Das Buch ist irgendwas in der Mitte, ein bisschen von beidem, aber nichts davon mit Leidenschaft. Es entwickelte sich kein wirklicher Lesefluss, ich stockte gelegentlich, musste den einen oder anderen Satz bewusst noch einmal lesen.

Die Ereignisse wurden lange Zeit ziemlich distanziert geschildert. Das Verhalten der einzelnen Personen kam mir manchmal unlogisch vor, ich verstand die Motivation dahinter nicht und ich konnte auch keine emotionale Verbindung zu ihnen aufbauen. Warum genau beispielsweise der Polizist Mike Fegin durchdrehte und begann, auf die Untoten zu schießen, habe ich nicht wirklich verstanden. Was bewegte ihn? Selbst als er zum Opfer wurde, beobachtete man seinen Niedergang mit analytischer Ruhe.

Andeutungen über Ereignisse in Roberts Vergangenheit in Warschau nervten, weil sie ständig präsent waren, man aber nicht dahinter kam, was wem nun dort passiert war. Robert erfuhr als Journalist mehr als der Normalbürger, aber auch als ihm hoch brisante Informationen zugespielt wurden, überkam ihn angesichts des Ausmaßes eine ungewöhnliche Ruhe und er fasste erst einmal den Entschluss, den Journalismus aufzugeben. Aha … ?

Nach der Hälfte des Buches fing ich aber Gott sei Dank doch an, meinen Spaß an dem Buch zu haben.

Gewisse Puzzelteile, die ich ahnungslos erst einmal zur Kenntnis nahm, fügten sich nun zusammen, so manches (wenn für meinen Geschmack auch nicht genug) wurde erklärt und die Spannung steigerte sich gehörig.

Aus Angst, Machtgier, Dummheit, dem Wunsch nach Erfolg und Publicity oder falsch verstandenem Ehrgefühl machten die Menschen plötzlich Dinge, die einen erst erschreckten – aber mich nach einem kurzen Nachdenken doch feststellen ließen, dass es gar nicht so unwahrscheinlich war, was da geschildert wurde. Der Autor zog den Beteiligten die Maske der Gutbürgerlichkeit vom Gesicht und wir blickten in eine Fratze.

Das Ausmaß menschlicher Abgründe und auch die erwartete blutige Zombie-Apokalypse wurden gekonnt in Szene gesetzt, die Spannung blieb über die zweite Buchhälfte hoch.

Es gibt einige nette Anspielungen (der Name Truhs für einen Reporter liegt ja nur haarschaf neben dem englischen Wort truth, die namenlose Kanzlerin wurde als “das Mädchen” bezeichnet), die ich sicherlich nicht alle erfasst habe. Als die abgeriegelte “Kontrollierte Zone” beiläufig mit “KZ” abgekürzt und ein Einmarsch mit “rigoroser Vernichtung aller Bewohner” diskutiert wurde, blieb die Gänsehaut nicht aus. Die Vergleiche mit der Zeit des kalten Krieges inclusive Mauer durch Berlin und Schießbefehl lagen sowieso auf der Hand.

Am Ende erfuhr die Geschichte noch einen kleinen, aber feinen Dreh, der mir ausgesprochen gut gefiel.

Nach den Anfangsschwierigkeiten war das unterm Strich doch ein Buch, das mich sowohl mit Zombie-Action als auch mit ebenso gruseligen Einblicken in die menschliche Natur gut unterhalten hat.

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