Zur Neuerscheinung des 6. Buches mit dem forensischen Anthropologen David Hunter war der Autor Simon Beckett auch in München zu einer Lesung und ich saß im Publikum.
Der Hörsaal des Klinikums rechts der Isar hatte überhaupt nichts mit dem Schauplatz von “Die ewigen Toten” gemeinsam, denn der moderne, freundliche Hörsaal bot zwar gute Sicht von allen Plätzen, aber alles andere als die verstaubte, gruselige Atmosphäre des verlassenen St. Jude Krankenhauses aus Simon Becketts neuestem Roman.
Nach einer kurzen Begrüßung der Veranstalterin Sabine Thomas betraten die Hauptakteure die Bühne.
(Hans Jürgen Stockerl – Simon Beckett – Günter Keil)
Günter Keil moderierte den Abend, stellte Simon Beckett jede Menge gute Fragen und übersetzte die Antworten für die Zuschauer. Der Schauspieler Hans Jürgen Stockerl las zwischendurch einige Passagen aus der deutschen Übersetzung von “Die ewigen Toten” und überzeugte mit sonorer Stimme und gekonnter Vertonung.
Die Hauptperson des Abends war natürlich der Autor Simon Beckett. Ein freundlicher, eher ruhiger Mann, der den Prolog des aktuellen Buches auf Englisch las und dann geduldig und manchmal mit Augenzwinkern die Fragen von Günter Keil beantwortete.
Eigentlich hatte ich immer angenommen, dass David Hunter seinen Namen als Anspielung auf seine Tätigkeit als “Verbrecherjäger” bekommen hat. Doch Simon Beckett meinte, dass es tatsächlich gar keine Anspielung sein sollte. Ihm habe einfach der Name David Hunter gut gefallen. Tja, so einfach kann es manchmal sein ;-) Er habe auch eine Vorstellung, wie Hunter aussieht, aber er beschreibt ihn absichtlich nicht so detailliert in seinen Büchern, denn jede/r Leser/in solle sich eine eigene Vorstellung von ihm machen. Deswegen verriet uns Simon Beckett auch seine eigene Vorstellung von David Hunters Aussehen nicht. Ich selbst finde, dass Simon Beckett und David Hunter im Auftreten viele Ähnlichkeiten haben und deshalb habe ich den Forensiker in meiner Vorstellung auch optisch immer weiter an den Autor angepasst.
In Simon Becketts Büchern spielt das Setting immer eine große Rolle. Ob das nun eine nebelige Moorlandschaft, eine einsame Insel oder die Backwaters sind, er schafft es immer, eine besondere Atmosphäre zu kreieren. Und weil er “Die ewigen Toten” in der Stadt spielen lassen wollte, kam er auf das abrissreife Krankenhaus St. Jude als passende Kulisse. Es existiert zwar nicht tatsächlich, ist aber an das eine oder andere verlassene Gebäude in seiner Heimatstadt Sheffield angelehnt, das dort heruntergekommene Gruselstimmung verbreitet.
David Hunter muss sich mit einem nervigen jungen Kollegen herumplagen und Simon Beckett erzählte, dass er es interessant fand, seinem Helden einen jungen Konkurrenten zu verpassen. Schließlich ist Hunter zwar ein anerkannter Experte, doch die nächste Generation steht schon in den Startlöchern und Hunter darf seinen Status nicht als gegeben hinnehmen, sondern muss sich damit auseinandersetzen, dass die Konkurrenz nicht schläft. Außerdem mag es Simon Beckett, seinen Helden ein bisschen zu ärgern und es ihm in seinen Büchern nicht zu leicht zu machen. Das würde ihm beim Schreiben besonders viel Spaß machen und er hofft, dass das auch bei den Lesern gut ankommt (bei mir schon!).
Wie in allen Hunter-Büchern geht es auch in “Die ewigen Toten” um Verwesung, eine (diesmal mumifizierte) Leiche und Fliegen und Maden, an denen man einiges über Zeitpunkt und Art der Todesumstände ablesen kann. Inzwischen muss Simon Beckett dazu nicht unbedingt so viel neu recherchieren, weil er sich schon im 6. Buch mit diesem Themenfeld beschäftigt. Natürlich holt er sich immer wieder neu Rat und Fachwissen bei Experten, so dass die Verwesungsprozesse und Verfahren im Rahmen der Leichenschau, die im Buch geschildert werden, alle stimmen.
Zum Schreibprozess erzählte Simon Beckett, dass er ausschließlich zuhause an seinem Schreibtisch seine Bücher verfassen würde und so keine besonderen Erinnerungen an den Entstehungsprozess bestimmter Szenen vorhanden wären. Allerdings hätte er an humorvollen oder überraschenden Ereignissen extra viel Spaß beim Schreiben.
Als er in einem kleinen Schwenk zur Tagespolitik nach dem Thema Brexit gefragt wurde, schlug er nur die Hände vor’s Gesicht und wollte nicht antworten. Das Gelächter aus dem Publikum sagte aber schon genug, man hatte ihn auch so verstanden :-)
Mit einer langen Schlange am Signiertisch und einem fleißig schreibenden Simon Beckett ging der interessante Abend für die ca. 400 Zuhörer im ausverkauften Hörsaal zu Ende. Wer mehr (und bessere) Fotos von der Veranstaltung sehen möchte, dem empfehle ich einen *klick hier*, der zur Facebookseite der Veranstaltung auf dem Account des Krimifestival München führt.
Zu meiner Rezension von “Die ewigen Toten” geht’s hier entlang.
Und auch “Die Rezensentin” hat einen Lesungsbericht zur “Schwesterveranstaltung” drei Tage später bei der LitCologne geschrieben und tolle Fotos gemacht.
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Ein sehr schöner Bericht! So ähnlich war es bei uns in Köln auch. Simon Beckett ist wirklich sehr nett.
Keiner, der eine große Show um sich macht, aber die super nette Art kommt gut rüber und ich finde es auch mal sehr erfrischend, wenn jemand dezent aber trotzdem sehr präsent ist.
Vielen Dank für den schönen Lesungs-Bericht! Ich stelle mir David Hunter übrigens auch wie Simon Beckett vor – zumindest optisch. XD Ob das in Sinn des Autors ist?
Liebe Grüße
Nicole
Hallo Nicole,
freut mich, dass Du die gleiche Verbindung zwischen Autor und Held gezogen hast. Tja, wenn Simon Beckett uns keine Leitlinie gibt, an de wir uns für Hunters Optik orientieren können, müssen wir eben nehmen, was wir kriegen. Und ich finde, da es so super gut passt, muss er damit leben ;-)
LG Gabi
Oh Gabi, ich liebe deine Lesungsberichte! Und in einem Klinikum? Wie genial passend!
Hihi, “der Name gefiel”, Punkt – so finden die Protas halt auch zur ihrer Identität. Nachdem du geschrieben hattest, der Autor sei lustig aber eher zurückhaltend, musste ich auch direkt an seinen Prota denken (= Wie Beckett die Forensik beschreibt ist wundervoll, man benötigt kein Fachwissen und langweilt sich an keiner Stelle.
Hab lieben Dank das du mich an deinem Abend hast teilhaben lassen!
Die Lesungen des Krimifestival München sind oft in Hörsälen der Münchner Kliniken, auch mal im Hörsaal der Rechtsmedizin, und dann auch mit einem Skelett oder wie hier mit einer Decke mit blutigen Handabdrücken dekoriert. Das passt so perfekt!
Soweit man Simon Beckett aus dem Publikum heraus einschätzen kann, hat er für mich auf jeden Fall sehr viel Ähnlichkeit mit David Hunter.
Und es freut mich natürlich, dass Dir der kleine Einblick in die Lesung auch Spaß gemacht hat!
LG Gabi
Wie genial! Besser könnte man solche Krimi-Lesungen kaum abhalten (=
Na logo, ich lese deine Berichte immer gerne und ich kann mir gut vorstellen, dass Beckett und Hunter gut zusammenpassen bzw. von dem einen beim anderen einiges an Parallelen zu finden ist – laut deiner Worte.
Hab einen mukkeligen Sonntag!
Hallo Gabi,
ich habe Simon Beckett auf schon bei einer Lesung erlebt und war sehr angetan. Ich finde ihn total sympathisch und unterhaltsam.
Ich muss sehr schmunzeln, dass dein David Hunter Simon Beckett ähnlich sieht. Bei mir ist das nämlich auch der Fall, besonders was die kleinen Haare angeht. Mein ehemaliger Deutschlehrer hatte auch diese Frisur und hat die immer als kleine Haare bezeichnet.
Spannend, dass es diesmal einen jungen Kollegen gibt. Ich habe das Buch leider noch nicht gelesen, da ich auf das Taschenbuch warte.
Danke für den tollen Bericht :)
Liebe Grüße
Julia
Hallo Julia,
ist ja witzig, dass so viele Leute Beckett und Hunter optisch vermischen – das hat der Autor nun davon, dass er es den LeserInnen nicht vorgibt, wie David Hunter aussieht. Ich finde es immer nochmal extra interessant, vom Autor selbst zu hören, was er sich bei einzelnen Szenen oder Figuren dachte und dieser Aspekt, dass ein junger Konkurrent mit riesigem Selbstbewusstsein an Hunters Stellung kratzt, war wirklich spannend. Vor allem, weil Hunter ja eigentlich ein recht entspannter Mensch ist, der nicht der Karriere wegen über Leichen geht.
Ich wünsche Dir, dass Du nicht lange auf’s Taschenbuch warten musst.
LG Gabi
Liebe Gabi,
ein sehr schöner Bericht zur Lesung! Asche über mein Haupt, aber ich dachte lange Zeit, dass Simon Beckett ein Pseudonym eines dt. Autoren sei. Frag mich bloß nicht, wie ich darauf komme… hihi
Vielleicht ergibt sich auch mal die Chance Herrn Beckett in Frankurt zu treffen. Dann köme ich auch mal in den Genuss. :-) Denn auch ich liebe seine Hunter-Reihe. Muss aber gesetehen, dass ich “Der Hof” und “Obsession” schrecklich fand! Mehr als langweilig und Hunter nicht würdig. ;-)
GlG, monerl
Liebe Monerl,
der Name Simon Beckett ist ja so international, dass dahinter auch ein deutscher Autor stecken könnte. Ich glaube ehrlich gesagt nicht mal, dass das überhaupt ein Pseudonym ist, genau weiß ich es aber auch nicht.
Ich habe neben der Hunter-Reihe auch noch “Obsession” gelesen und fand das auch nicht gut. Ich habe schon einige Meinungen gehört, dass die Hunter-Reihe klasse, aber die anderen Bücher nicht jedermanns Geschmack sind. Deshalb habe ich nach dem Obsessions-Reinfall die Finger davon gelassen und beschränke mich auf die Hunter-Reihe. Damit fahre ich glaube ich ganz gut :-)
LG Gabi