Darum geht's:
An verschiedenen Stellen in Berlin: Kira vermisst ihre Freundin und Mitbewohnerin, doch die Polizei nimmt ihre Anzeige nicht ernst. Hauptkommissar Grossmann ermittelt in einem grausigen Leichenfund. Der Aussteiger Paul sucht in seiner Nachbarschaft nach einer guten Idee für einen Krimi, nachdem er sein bürgerliches Leben hingeworfen hat. Der Kunst-Ermittler Peppercorn will auch die ausgefallenen Wünsche seines exzentrischen Kunden erfüllen und gibt alles, was er draufhat.
So fand ich's:
Wahrscheinlich habe ich in meinem Leben einfach zu viele blutige Thriller gelesen, denn der Titel ließ in meinem Kopf gleich ein blutrünstiges Szenario entstehen, in dem auf (oder mit) Fleisch auf grausame Weise gemalt wird. Alle, die es nicht ganz so blutig mögen wie ich, kann ich allerdings beruhigen. Es handelt sich hier um einen waschechten Krimi, der natürlich um Mord und Totschlag geht und in dem es auch ein kleines bisschen grausam zugeht, aber darauf liegt nicht der Schwerpunkt. "Fleischmaler" ist auch für LeserInnen geeignet, die es nicht so gerne haben, wenn das Blut zwischen den Buchseiten herausfließt.
Das Buch weist eine ungewöhnliche Einteilung auf, die sich an der Adresse orientiert, an der die Szene spielt und die in kurzen Abständen zwischen den Schauplätzen wechselt. Ich fand das sehr passend und wurde auch dadurch nochmal mehr zum Weiterlesen animiert (Dieses eine Kapitelchen noch).
Es gibt mehrere Perspektiven, die auf den ersten Blick nicht wirklich etwas miteinander zu tun haben. Man muss sich die Zusammenhänge so nach und nach erarbeiten, so dass es hier einen doppelten Rätsel-Effekt gibt. Man fragt sich, wie sich die Krimi-Handlungsstränge erklären lassen und gleichzeitig, wieso uns dieses oder jenes Erlebnis der Handelnden erzählt wird. Erst ganz zum Schluss hat sich für mich ein total schlüssiges Gesamtbild ergeben, das ich trotz der zahlreichen Hinweise nicht früher gesehen habe.
Wir begleiten unter anderem Adam Peppercorn, einen Ermittler in Sachen Kunst, Kira, die ihre Mitbewohnerin und Freundin vermisst, den Aussteiger Paul, der nach interessantem Stoff für einen Krimi Ausschau hält und den Polizist Grossmann, der - wie man es von einem Krimi erwarten könnte - eben nicht die Hauptrolle einnimmt, sondern als gleichwertiger Erzähler neben anderen steht. Kira ist auf Cochlea-Implantate angewiesen, um hören zu können. Das schränkt sie manchmal ein und irritiert Menschen, mit denen sie zu tun hat, steht aber nicht im Mittelpunkt. Kira wird durch viele Eigenschaften definiert und ihre Gehörlosigkeit ist nur eine davon. Wie das im Buch thematisiert wird, hat mir sehr gut gefallen. Normalerweise mag ich es nicht, wenn mehrere Personen erzählen, hier ließen sie sich aber alle gut voneinander unterscheiden, da sie mit Individualität ausgestattet wurden und sehr greifbar rüberkamen und die einzelnen Handlungsstränge jeder für sich überzeugte. Überhaupt tummeln sich im Buch so einige spannende Akteure und auch wenn ich bei weitem nicht alle mochte, sind sie in meinem Kopfkino sehr lebendig entstanden. Außerdem half das Personenverzeichnis am Ende des Buches mit einem Stichwort bei Namen weiter, die schon länger nicht mehr aufgetaucht waren.
Nach und nach bekommt man immer mehr Infos dazu. Die Spannung ist besonders in der zweiten Hälfte des Buches deutlich spürbar. Sie ist nicht auf Hau-Drauf-Action ausgelegt, aber die Neugier darauf, die Rätsel dieser Story zu entwirren, treibt einen weiter. Der Autor schafft es wunderbar, Atmosphäre zu kreieren. Man schaut in menschliche Abgründe verschiedenster Art und muss dabei einräumen, dass dies alles möglich und realistisch ist.
"Fleischmaler" weicht vom üblichen Schema F ab und geht eigene Wege, die ich sehr gerne mitgegangen bin. Der Krimi traut sich was und überzeugt mit einer interessanten Erzählweise, tollen Charakteren, Themen, die auch vor Tiefe und Ernsthaftigkeit nicht zurückschrecken und einer gut spürbaren Atmosphäre, die prima zu einem Krimi in Berlin passt. Ich werde auch in Zukunft Ausschau halten nach Büchern von Jo Machedanz und hätte sicher nichts dagegen, der einen oder anderen Figur aus "Fleischmaler" in der Zukunft wieder zu begegnen.
Mehr dazu:
Weitere Meinungen zum Buch:
Buchlieblinge
KeJas Blogbuch (Kerstin)
Herzlichen Dank an den Autor für das Rezensionsexemplar
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Titel: Fleischmaler
Autor/in: Jo Machedanz
ISBN / ASIN: 978-3982099613
Sprache: Deutsch
Genre: Kriminalroman
Verlag: Selfpublishing
Erscheinungsjahr: 2019
Medium: Taschenbuch
Seitenzahl: 314
Klappentext- und Bildquelle sowie Buchdetails: Autorenhomepage
Und schwupps bin ich hier.
Hätte er ich es noch schon gelesen würde ich es jetzt wollen. Super schöne Rezension ohne zu viel zu verraten. Diese Kiki mochte ich sehr gerne und fand sie richtig gut dargestellt. Viele Unikate an Charakteren und diese einzelnen Kapitel aufeinander zu führend fand ich auch ganz stark.
Da könnte so mancher Verlag nach lechzen, weil es eben kein Allerweltskrimi ist.
Liebe Grüße
Kerstin
Ich hoffe, dass Kiki und Paul noch mehr Geschichten erleben, die Jo Machedanz uns erzählen möchte ;-)
Wahrscheinlich ist der Fleischmaler schon zu experimentell für einen großen Verlag. Schade, denn die langweilige Massenproduktion der Publikumsverlage könnte schon eine Belebung vrtragen. Für uns Fans von Selfpublishern ist die Auswahl und Abwechslung umso schöner.
LG Gabi