Erased von Jürgen Albers – Ein Inspector Norcott-Roman #2

Darum geht's:

England 1947: Charles Norcott soll im beschaulichen Oxford Vorlesungen über seine Zusammenarbeit mit der deutschen Militärverwaltung während des Krieges halten. Da im Forschungsbereich der Universität in letzter Zeit Dinge passieren, die man für Unfälle, aber auch für Sabotage halten kann, bekommt Norcott den zusätzlichen Auftrag, diskret nachzuforschen, ob die Atomforschung der Briten, die in diesem Forschungsbereich in Oxford stattfindet, in Gefahr ist.

So fand ich's:

Ich bevorzuge meine Thriller blutig, aber auch zu einem historischen Cosy Krimi sage ich ab und zu nicht nein. Und da mich "Crossroads", der erste historische Krimi mit Charles Norcott, besonders durch sein ungewöhnliches Setting, die deutlich spürbare Atmosphäre und die gut eingeflochtenen historischen Fakten überzeugt hat, war ich sehr gespannt auf die Fortsetzung "Erased".

Diese inzwischen zweibändige Krimireihe bringt der Autor in Eigenregie heraus. Das schöne Buchcover ist mir gleich ins Auge gefallen. Passend zur Zeit kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges, zum altehrwürdigen Universitätsort Oxford, und auch perfekt harmonierend mit dem Cover des ersten Bandes, fand ich es absolut gelungen.

Dafür hat es leider am Lektorat bzw. Korrektorat gefehlt. Es fällt mir schwer, mich auf den Inhalt eines Buches zu konzentrieren und mich in die damalige Zeit versinken zu lassen, wenn jemand mit dem Komma-Streuer Amok gelaufen ist, wenn z. B. auch mal aus Sir Harold ein Sir Herold, aus Oxford Oxfort, aus einem Dezernat ein Dezernet und aus einem Supenintendent ein Superintendant wird. Besonders hat mich die sehr fantasievolle Silbentrennung irritiert, die mich zu Unzeit auch mal hat lachen lassen. Sorry, aber "gegenübers-tand", "Unte-rarmen" oder "ihr den Mund zuzuk-leben" kann ich nicht ernst nehmen und leider gab es für meinen Geschmack zu viele davon. Die manchmal zu blumigen Formulierungen in nachdenklichen Momenten, die Wortwiederholungen und auch, dass an Stellen, die Spannung versprachen, regelmäßig ausgeblendet wurde, wir das Ergebnis bloß später erzählt bekamen und nicht live dabei waren, fand ich sehr schade, denn es bremste die ohnehin nicht übermäßig vorhandene Spannung noch mehr.

Ich mag die ruhige Erzählweise von Jürgen Albers eigentlich auch ohne die Spannung recht gern, denn er schafft es, das britische Flair mit Tee und Gurkensandwiches, den alten, verwinkelten Universitätsgebäuden mit ihren allwissenden Hausmeistern und verschrobenen Forschern rüberzubringen. Da war ich von "Crossroads" verwöhnt und hätte mir mehr davon auch bei "Erased" gewünscht. Wieder gut gefallen haben mir die passend eingeflochtenen historischen Fakten und Persönlichkeiten. Besonders die britische Atomforschung und die Abwerbung der Spezialisten durch die USA, den politischen Kleinkrieg und die schwierige Zusammenarbeit der beiden Länder fand ich interessant. Ich hätte gerne mehr davon gelesen.

Am Ende blieben für mich noch einige Dinge offen und das Motiv war mir viel zu schwach. Dass man während des Lesens gut mitraten konnte, weil es verschiedene Indizien und falsche Fährten gab, hat mich da nur wenig getröstet. Der Täter hat sich am Ende selbst entlarvt. Wäre dieses unbedachte Verhalten nicht gewesen, hätte Superintendent Norcott den Fall noch lange nicht lösen können, nach allem, was wir aus dem Buch erfahren haben. Und diese Art der Auflösung ist für mich persönlich immer sehr unbefriedigend.

Wer lesen will, was genau für mich offen geblieben ist, wird gespoilert. Also bitte Aufklappen auf eigene Gefahr.

Spoiler aufklappen

"Durchgeknallt vor Liebe" hat mich nicht wirklich überzeugt. Vor allem war mir nicht klar, wieso sie deshalb die Arbeit de Vercennes sabotiert hat. Wieso musste Daphne sterben? Wieso hat sie die Autobombe so platziert wie sie es tat und dann doch die Tür geöffnet? Was hat Polizistin Badby nachts gesehen und wieso wurde sie angeschossen? Das ist für mich alles nicht richtig deutlich geworden.

 

Es mag sein, dass mich Rechtschreib- oder Kommafehler vielleicht mehr stören als andere und auch die Auflösung des Falles ist Geschmacksache, doch für mich persönlich bleibt unterm Strich nicht mehr als ein mittelmäßiges Lesevergnügen. Hier wäre mehr drin gewesen und der Autor hat leider vieles von dem Potenzial, das sein Schreibtalent und das Buch an sich hergegeben hätten, verschenkt.

Mehr dazu:

Weitere Meinungen zum Buch:
I am Jane (begeistert)
Leseratz (durchwachsen)
Monis Zeitreise (trotz Kritikpunkten eine Leseempfehlung)
Seehases Lesewelt (empfehlenswert)
Buchbahnhof (sehr lesenswert)
Powerschnute (volle Begeisterung)
Pink Anemone (kritisch)
Mikka liest das Leben (mit kleinen Kritikpunkten, insgesamt begeistert)

Die Serie in der richtigen Reihenfolge:
Crossroads
Erased


Herzlichen Dank an den Autor für das Rezensionsexemplar

Werbung

Titel: Erased
Autor/in: Jürgen Albers
ISBN / ASIN:
9783740761790
Sprache:
Deutsch
Genre: Historischer Kriminalroman
Serie: Inspector Norcott #2
Verlag:
Twentysix
Erscheinungsjahr:
2019
Medium:
Taschenbuch
Seitenzahl: 388
Klappentext- und Bildquelle sowie Buchdetails: Verlagsseite

 

Loading Likes...
Kommentare abonnieren
Benachrichtige mich zu:
4 Comments
Inline Feedbacks
View all comments
4 Jahre her

Liebe Gabi,
das ist aber total schade! Ich stecke noch in Band 1 fest und kann somit nicht mitreden. Habe aber soeben auf Twitter das Leid des Autors mitbekommen. Sehr schade und sowas von ärgerlich, wenn das Lektorat bzw. das Korrektorat so schlecht arabeitet und man erst im Nachhinein das mitbekommt.
Ich werde mir jetzt die neue Auflage gönnen und drücke Jürgen die Daumen, dass damit das Schlimmste überwunden ist.
GlG, monerl

4 Jahre her

Liebe Gabi,
ach wie schade, dass dich das Buch nicht so begeistern konnte. Die vielen Rechtschreibfehler und merkwürdigen Trennungen sind mir auch aufgefallen, aber irgendwie konnte ich die zumindest teilweise ausblenden, weil ich so in die Geschichte versunken war.
Ich finde es gut, dass du dieses Manko in deiner Reznesion erwähnst, denn ich muss gestehen, dass mich solche Feher stören, wenn ich ein Buch gekauft und damit ja bezahlt habe.
Den Fall an sich fand ich schlüssig und gut erzählt. Ich bin allerdings nicht so der Krimileser, von daher waren meine Erwartungen vielleicht anders, als es die Deinen waren. Du liest ja doch deutlich mehr in diesem und im Thrillerbereich, als ich es tue.
Auf jeden Fall hast du eine super gut begründete Rezension geschrieben. Hut ab!
LG
Yvonne