[Gänseblümchen der Woche] #212

Letzten Sonntag habe ich den Gänseblümchenbeitrag schon wieder ausfallen lassen. Ich hatte das Gefühl, dass es einfach nichts zu erzählen gab. Inzwischen ist mir klar geworden, dass ich die Idee hinter den Gänseblümchenmomenten ein bisschen - oder ganz gewaltig - aus den Augen verloren habe. Es geht schließlich darum, nicht nur die großen Ereignisse und wichtige Themen zu beachten, sondern die schönen Kleinigkeiten im Auge zu behalten. Die übersieht man allzu gerne und dieser besondere Wochenrückblick hier soll den Blick dafür schärfen, dass einem jede Woche einige schöne Dinge widerfahren, die man zu wenig würdigt.

Da muss ich wohl ab sofort die Augen besser auf machen und wieder bewusster nach den Gänseblümchen suchen.

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Einen nachmittag lang war Levi beim Nachbarmädel. Die zwei lieben sich total und Levi dreht fast durch vor Freude, wenn er sie sieht und Zeit mit ihr verbringen kann. Ich muss jedes Mal lachen, wie Levi sich gar nicht genug freuen kann, herumhüpft, Sofija abküsst und fast platzt vor Begeisterung. Mich beruhigt das sehr, weil ich weiß, dass ich Levi guten Gewissens bei ihr lassen kann. Sie kümmert sich gut und er fühlt sich dort wohl. Und weil er immer mal bei ihr ist, ist es für ihn auch nichts Außergewöhnliches, wenn sie ihn holt. Aber ich habe Levi echt vermisst! Regelmäßig hab ich gedacht, wo ist denn mein Hund gerade? und hab mich in der Wohnung umgeschaut. Ich bin es so gewohnt, dass er ständig um mich ist. Und er nervt auch nur ca. 4 Minuten in 24 Stunden ;-) So gut wie immer ist er der liebste, freundlichste, schmusigste und lustigste Hund überhaupt. Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens, einen Hund zu haben und die Züchterin, der ich die Entscheidung überlassen habe, welchen Welpen aus dem Wurf ich nehme, hat das perfekte Händchen bewieswen!

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Eine ganze Weile schon steht auf meiner To Do Liste, dass ich mal den Tauschkorb für bemalte Steine im Nachbarort finde und dort was tausche. Letzte Woche war es dann so weit. Ich habe Levi mitgenommen und ein paar Steine, die ich dort lassen wollte. Perfektes Timing - als ich vor dem Haus stand, war gerade ein Mädchen herausgekommen, die gleich fragte, ob sie Levi streicheln dürfte. Während dessen bewunderte ich die Steine. Es gab nämlich nicht nur welche im Tauschkorb, sondern der ganze Vorgarten war mit wunderschön bemalten Steinen ausgelegt. Der Eingangsbereich war eine echte Sehenswürdigkeit! Die Oma kam dazu und erzählte ein bisschen. Ich hatte das Gefühl, die ganze Familie ist kreativ und bastelbegeistert. Während Levi mit der Enkelin beschäftigt war, ergab sich eine sehr nette Unterhaltung und ich blieb länger dort, als ich eigentlich geplant hatte. Und ganz nebenbei: Schon alleine, dass ich keinen Zeitdruck habe und das Geplauder abbrechen muss, weil noch 11 andere Sachen für die nächste halbe Stunde auf der To Do Liste stehen, ist eine wunderbare Erleichterung, die ich sehr genieße!!!

Diese beiden Hübschen habe ich aus der Tauschbox mitgenommen. Ich behalte sie erst einmal ein Weilchen, vielleicht wandern sie später weiter.

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Die Übertragung der olympischen Spiele läuft hier so nebenbei und wenn ich wieder mal nicht schlafen kann, schaue ich auch die nächtlichen Sessions. Dabei kann man gut Steine bemalen. Als ich Bücher für den öffentlichen Bücherschrank zusammen gesucht habe, kam ich auf die Idee, ein paar buchige Steine mit in den Schrank zu legen.

Vielleicht nimmt sie jemand mit und mag sie ins eigene Bücherregal legen. Ich glaube, ich male noch ein paar mehr ;-)

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Wenn Levi und ich auf unseren Spaziergängen am Marktplatz vorbei kommen, muss Levi immer beim Friseur dort in die Tür schauen. Da sind nämlich zwei Hunde im Salon, die Levi immer begrüßen, wenn die Tür des Friseursalons offen ist. Die sind auch schon mal durch den Türspalt geschlüpft, um zu Levi rauszukommen :-) Und auch diese Woche stand Levi auf der Treppe und schaute herein. Die Angestellte sagte, die Hunde wären heute nicht da, und ich wollte schon weiter gehen, als eine Frau im "Wartebereich" des Salons im Freien Levi zu sich lockte, um ihn zu streicheln.

Levi war sehr zurückhaltend, hat sich auf Entfernung mal kurz anfassen lassen, ging aber dann in der Gegend herum schnüffeln. Ich kann mich auf Levis Bauchgefühl verlassen, das hat er schon mehr als einmal bewiesen. Und auch hier war seine Skepsis berechtigt.

Die Dame begann, mir eine wirre Story zu erzählen. Sie würde sich ja gerne ein Wochenendticket für die Öffis kaufen, damit sie nach Nürnberg fahren könne, aber ihr Geld wäre noch nicht auf dem Konto (da gingen bei mir schon die Warnleuchten an, aber ich habe einen Faible für wirre Geschichten, also hab ich weiter zugehört). Sie wolle einen Freund besuchen, den sie schon lange nicht mehr gesehen habe. Sie wüsste auch nicht genau, ob er noch dort wohnt, wo sie meint. Denn er hat einen Nebenjob, und der Chef dort zahlt ihm oft ein Pensionszimmer, weil das Zimmer in dem Männerwohnheim, wo er sonst lebt, so laut ist wegen dünner Wände und lauter Nachbarn (kommt ihr noch mit?). Der Freund könnte also irgendwo in einer Pension wohnen. Sie habe ihm zwar eine Mail geschrieben, aber er hat schon länger nicht mehr geantwortet (noch ne Warnleuchte bei mir - vielleicht weiß der Kumpel ganz genau, wieso er ihr gegenüber abtaucht?). Das wäre natürlich blöd, wenn sie jetzt ins Blaue nach Nürnberg laufen müsse und nicht mal sicher wäre, ihn anzutreffen (ach nee). Es wäre schon toll, wenn ihr jemand das Geld für das Ticket leihen könnte (der Zaunpfahl wird heftiger gewunken, aber ich habs ignoriert. Mir war die Geschichte nicht durchdacht genug. Ich hätte ihr sagen können, sie solle den Freund doch besser nächste Woche besuchen, wenn sie eine Rückmeldung hat und ihr Geld da ist. Wenn sie sich diesen Besuch für heute unbedingt bockig-kindisch einbildet und kein Geld dafür hat, dann kann und will ich ihr nicht helfen).

Dann fing sie an, mir zu erzählen, dass sie kürzlich hier Ärger mit der Polizei bekommen habe, weil sie auf der Steintreppe saß und jemanden was fragte, der daraufhin die Polizei gerufen hatte (ich weiß, das ist etwas verschwommen, aber das lag an ihr, nicht an mir, so hat sie es erzählt. Aber es klärt sich gleich). Sie wurde beschuldigt, aus dem öffentlichen Bücherschrank Bücher entnommen zu haben (in meiner Welt ist ein öffentlicher Bücherschrank genau dafür da ...). Deshalb hab ich mehrfach nachgefragt und dann herausbekommen, dass die eigentliche Beschuldigung war, sie habe Bücher aus dem öffentlichen Bücherschrank verkaufen wollen. Vielleicht hat sie den Passanten auch gefragt, ob er ihr ein Buch abkaufen wolle? Das würde seine Verärgerung erklären. Und das wäre auch ein sinniger Hintergrund für den Zettel, der neuerdings am öffentlichen Bücherschrank hängt und darauf hinweist, dass die Bücherspenden zum persönlichen Gebrauch / kostenlosem Weitergeben gedacht sind und nicht, um sie gewerblich zu verkaufen.

Da war ich dann nochmal besonders froh, dass ich mich nicht habe breitschlagen lassen und ihr nicht mal nen Euro Zuschuss für ihr Wochenendticket gegeben habe. Ich sag ja "Ich habe viele Probleme, aber Geld ist keines davon". Es gab aber andere Zeiten in meinem Leben, wo ich jeden Pfennig zweimal umdrehen musste und mir viele Dinge nicht leisten konnte. Das habe ich nicht vergessen. Ich bin schon freigiebig, weil ich es mir leisten kann und viele ohne eigenes Verschulden in Geldnot geraten sind, aber ich lasse mich nicht ausnutzen. Allerdings hat diese Begegnung und diese sehr spezielle Frau mich noch eine ganze Weile beschäftigt und ein paar Gedankengänge ausgelöst (Achtung, jetzt wird's filoso-Fisch)

Allein die Facebookgruppe Frankenstones hat über 24.000 Mitglieder. Das sind Menschen, die durch die Natur stiefeln und Steine sammeln oder sie sogar im Baumarkt kaufen. Die Geld in Farbe, Pinsel, Stifte investieren. Die schöne Motive suchen, sich inspirieren lassen und teilweise sehr zeitaufwendig die Steine gestalten. Und dann legen sie die irgendwo hin, damit eine zufällige Person, die sie findet, sich darüber freuen kann. Völlig selbstlos, und allermeistens bekommt man nicht mal eine Rückmeldung, was aus dem Stein geworden ist. Warum machen die Menschen das? Es gibt bestimmt die unterschiedlichsten Gründe, aber bei ganz vielen ist die Idee im Hinterkopf, dass man einfach mal jemandem was Gutes tun kann. Gute Karmapunkte sammelt für sich selbst ;-) Und je mehr Menschen so denken, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass einem selbst auch so eine Nettigkeit widerfährt.

Ähnliches gilt für die Bücher im öffentlichen Bücherschrank. Für das Parkticket, auf dem noch Zeit übrig ist, das man weiter verschenkt oder anonym auf dem Ticketautomaten liegen lässt. Für die Glasscherben, die man aufhebt und in den Mülleimer wirft, bevor jemand rein tritt. Für die fantastische Idee, in manchen Cafes einen Kaffee anonym zu bezahlen, den dann jemand, der sich keinen leisten kann, in Anspruch nehmen kann. Für die viele tätige Hilfe für die Überschwemmungsopfer ganz aktuell. Und so weiter.

Auch wenn es ein bisschen naiv klingt, will ich, dass es mehr Menschen gibt, die für positive Gesten zu haben sind. Oft muss es nicht mal Geld kosten, sondern bloß ein bisschen Zeit, ein Lächeln, ein bisschen Aufmerksamkeit. Und von Bücherschrank-Dieben und Geld-mit-halbseidenen-Lügengeschichten-Erbettlern will ich mir nicht vermiesen lassen, dass ich an das Gute im Menschen glaube. Und meinen Beitrag dazu leiste, weil es mir ein inneres Bedürfnis ist. Alles andere wird das Karma schon regeln.

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