Ich bin nicht schwul von Nora Wolff

Darum geht's:

Alex und Simon haben nie über den Kuss, den sie vor vielen Jahren auf dem Heuboden getauscht haben, geredet. Alex hat das ganz weit weggeschoben, denn in ihrem kleinen Ort wäre es eine Katastrophe, sich als schwul zu outen. Stattdessen arbeitet er brav im Familienbetrieb mit, hat eine hübsche Freundin und beobachtet, wie ein Kumpel nach dem anderen heiratet, ein Häuschen baut und Kinder in die Welt setzt. Seine auf den ersten Blick heile Welt droht allerdings einzustürzen, als sich Simon ihm gegenüber als schwul outet.

So fand ich's:

Alex lebt gerne in dem kleinen Ort Wiegen. Auch wenn ihn sein Vater zur Gärtnerlehre und Mitarbeit in der Familien-Gärtnerei gedrängt hat, liebt Alex seinen Beruf und den Umgang mit den Pflanzen und seinen Kunden. Er bestreitet, fest mit Vanessa zusammen zu sein, denn auch wenn sie sich gut verstehen und Sex miteinander haben, ist es für beide nur eine "Freundschaft Plus", denn die großen Gefühle sind es für beide nicht. Da sind sie sich einig. Trotzdem drängt Alex' Familie darauf, dass die beiden endlich heiraten, wie das ihre Altersgenossen einer nach dem anderen tun.

Es gibt so einige Dinge, die Alex am Dorfleben nicht gefallen, allen voran, dass jeder sich ungefragt einmischt und über alles gelästert und geschimpft wird, was nicht in das enge Weltbild der Menschen passt. Trotzdem fügt er sich ein, meidet jeden Streit und ist völlig entsetzt, als er von seinem besten Freund Simon erfährt, dass dieser sich als schwul outen will. Alex hat eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie die Leute im Ort reagieren werden und möchte nicht, dass sich Simon dem aussetzt.

Simons Wunsch nach einem Outing löst aber noch ganz andere Dinge in Alex aus. Denn plötzlich ist ihr Kuss wieder ein Thema und Simon scheint für Alex als potenzieller Partner erreichbar zu sein - alte Gefühle kommen wieder hoch. Und auch die Angst, denn Alex will sich auf gar keinen Fall outen und zum Aussätzigen im Ort werden.

Ich hätte von Alex, der uns diese Geschichte komplett aus seiner Perspektive erzählt, gerne ein anderes Verhalten gesehen. Dass er nach kurzem Zögern und Überlegen zu Simon steht, dass er sich solidarisch zeigt und über sich hinauswächst. Stattdessen ist Alex gefangen in seinen Ängsten und sieht seine Befürchtungen auch immer wieder durch Bemerkungen und Verhalten seiner Umgebung bestätigt. Er möchte angepasst sein, in Ruhe gelassen werden und hat Angst davor, dass Simons Mut zur Ehrlichkeit, seine Konsequenz und sein Outing, das immer wieder im Raum schwebt, sich auch auf Alex selbst auswirkt. Er muss sich entscheiden zwischen Simon und dem bequemen Verstecken, Halbwahrheiten und Leugnen - und entscheidet sich sehr lange konsequent für deutliches Lügen. Auch wenn man gerne sehen würde, wie jemand sich heldenhaft gegen die Klischees und Vorurteile stemmt, habe ich doch sehr gut verstanden, wieso Alex das nicht getan hat. Ich bin selbst auf dem Dorf groß geworden und so gerne ich sagen möchte, dass vieles von der Handlung des Buches übertrieben und unrealistisch ist, so wenig kann ich das guten Gewissens tun. Ich weiß, wie viel Mut es braucht, sich zum Außenseiter zu machen und zu riskieren, dass man jeden Rückhalt der Menschen, die einem lieb sind, verliert.

Simon dagegen war zum Studium in Hannover und hat ein anderes Leben kennengelernt. Er vermisst die Freiheit, die er in Hannover hat und will sich nicht länger verstecken. Da wir nur Alex Perspektive kennen, bleiben uns Simons Ängste und Beweggründe im Detail verschlossen, doch man kann schon viel daraus lesen, wie Alex und Simon sich verhalten, wenn sie zusammen sind.

Die Geschichte ist eher ruhig und trotz der Probleme und Konfliktsituationen nicht besonders dramatisch aufgebauscht, sondern wartet mit einer detaillierten Erzählweise auf. Alles wirkt realistisch und hat mich durch genau diese Realitätsnähe gepackt. Ich fühlte mich mittendrin und habe mit Alex mitgelitten und mitgefühlt, ihn nicht immer gemocht, aber immer verstanden. Alex' Bruder Arne hat eine wichtige Nebenrolle, genau wie die Hannoveraner Freunde Mateo und Jonas. Deren eigene Stories werden nur angedeutet und ich würde sehr gerne mehr darüber erfahren, in welcher Beziehung Mateo und Jonas nun wirklich zueinander stehen und ob ich mit meiner Vermutung über Arnes Liebesleben richtig lag. Vielleicht sind dazu eigene Romane geplant? Es würde mich freuen, denn diese Nebenfiguren haben die Geschichte von Alex und Simon bereichert.

"Ich bin nicht schwul" hat mich nach Wiegen mitgenommen und Alex' Leben, in das ich komplett abtauchen konnte, und mir auch durch die süße Lovestory ein paar schöne Lesestunden beschert.

Mehr dazu:

Weitere Meinungen zum Buch:
(wird ergänzt)

 


Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar

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Titel: Ich bin nicht schwul
Autor/in: Nora Wolff
ISBN / ASIN:
B07J6GWXLX
Sprache:
Deutsch
Genre: Gay Romance
Verlag:
Cursed
Erscheinungsjahr:
2018
Medium:
eBook
Seitenzahl: 462
Klappentext- und Bildquelle sowie Buchdetails: Verlagsseite

 

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