[Lesung] Sabine Weigand liest “Helga: Als es noch keine Worte dafür gab” bei der LesArt in Schwabach am 11.11.2016

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Sabine Weigand gehört zu meinen Lieblingsautorinnen und ich habe alle ihre historischen Romane gelesen. Mit ihrem neuen Buch betritt sie allerdings Neuland, denn sie hat keine historische Figur, sondern einen noch lebenden Menschen mit einem ungewöhnlichen Schicksal porträtiert. Hier geht’s zu meiner Buchbesprechung von “Helga: Als es noch keine Worte dafür gab”. Im Rahmen der LesArt war Sabine Weigand zusammen mit Helga am 11.11. in Schwabach zu sehen und zu hören.

Da ihre Lektorin, die sie bei dieser Veranstaltung hätte begleiten sollen, leider erkrankt war, musste Sabine Weigand den Abend alleine bestreiten. Bei ihrem erzählerischen Talent und der gewohnt souveränen Bühnenpräsenz fiel ihr das aber gar nicht schwer und das Publikum lauschte begeistert.

Nachdem “Helga” kein klassischer historischer Roman ist, wie die anderen Bücher Sabine Weigands, erzählte sie, wie sie überhaupt dazu kam, diese Biografie zu verfassen. Ein Journalist aus ihrem Bekanntenkreis hat ihr nämlich von seiner “Tante Helga” berichtet, deren Lebensgeschichte man unbedingt erzählen müsse. Obwohl sie zuerst skeptisch war, denn die meisten Geschichten wären nur für die Freunde und Familie erzählenswert, gäben aber keinen guten Stoff für ein Buch ab, hat sie sich die Geschichte angehört und sich schließlich auch mit Helga getroffen. Sabine Weigand war dann schnell überzeugt, dass das Thema Transsexualität, die sympathische Person Helga, aber auch das Leben eines Menschen, der die jüngere Zeitgeschichte mit Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit erlebt hat, ihr nächstes Buchprojekt werden sollte.

Wir bekamen ein paar Fakten zum Thema geliefert, beispielsweise, dass der Begriff Transsexualität nicht ganz richtig sei, denn diese Störung habe nichts damit zu tun, wen man sexuell begehrt, sondern diese gestörte Wahrnehmung des eigenen Identitätsbildes bezeichnet man besser als Transidentität. Die Ursachen sind unbekannt und es gibt auch keine Heilung. Das Einzige, was man tun kann, ist den Körper an das seelische Empfinden operativ anzupassen. Diese Phänomen wäre gar nicht so selten, Sabine Weigand nannte die Zahl von etwa 70.000 Menschen, die in Deutschland das Empfinden haben, in einem Körper mit dem falschen Geschlecht zu leben.

Und obwohl in manchen Kulturen Transsexuelle besonders hoch geachtet sind, weil man ihnen Verständnis für beide Geschlechter zuschreibt, und schon im 18. Jahrhundert Operationen den Geschlechtsteilen vorgenommen wurden, war Helga F. Mitte des 20 Jahrhunderts eine Vorreiterin, die sich ihren Weg ohne Vorbilder und mit sehr spärlichen Informationen erkämpfen musste.

Da auch das Buch in einem Hauch fränkischen Dialekts verfasst ist, ließ Sabine Weigand ihre eigene Mundart ein bisschen mehr durchblitzen als sonst, wenn sie Passagen aus dem Buch las. Und Helga, die einen Ehrenplatz in der ersten Reihe hatte, warf ab und zu eine Bemerkung oder Erläuterung ein, so dass man wirklich das Gefühl hatte, Helga erzählt uns selbst aus ihrem Leben.

Ich hatte das Glück, schräg hinter Helga und ihrer ersten Frau Edith, mit der sie vor ihrer Operation als Hermann verheiratet war, zu sitzen. Die beiden Witwen wohnen und leben inzwischen (wieder) zusammen und es war einfach schön mitanzusehen, wie die beiden sich immer mal schmunzelnde oder auch mal bei traurigen Passagen tröstende Blicke zuwarfen. Helga war sichtlich bewegt, besonders wenn das Publikum spontan applaudierte, was mehr als einmal passierte.

Nach der eigentlichen Lesung kamen Helga (ganz links auf dem Foto) und Edith (in weiß) auf die Bühne zu einem kurzen Gespräch mit Sabine Weigand und einem kleinen Geschenk, das Hanne Hofherr, die Veranstalterin der LesArt, überreichte.

Helga ließ es sich nicht nehmen, selbst zum Mikrofon zu greifen und ein paar Worte ans Publikum zu richten. Sie habe ein Schicksal erlebt, das sie ihrem ärgsten Feind nicht wünschen würde, denn was für andere selbstverständlich ist, musste sie sich hart erkämpfen und sie wäre daran fast zerbrochen. Sie ist trotz aller Tiefschläge aber immer wieder aufgestanden und habe gelernt, offen zu sein und auch die Öffentlichkeit an ihrem Schicksal teilnehmen zu lassen.

Damit hat sie sicher vielen anderen den Weg leichter gemacht und mit ihrer offenen und äußerst sympathischen Art das Publikum absolut für sich eingenommen.

Einen kleinen Eindruck von Helga kann man hier in einem zweiminütigen Youtube-Video und in einem Beitrag für die Sendung ML Mona Lisa bekommen.

 

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Das Buch ist nicht so ganz meine Leserichtung, aber deinen Bericht zur Lesung dafür umso mehr! Sehr gut geschrieben & schönere Bilder als in meinem Beitrag *lach

Ganz liebe Grüße, Janna (crumb)

8 Jahre her

Hallo!

Tatsächlich hat mir meine Mutter mal von dieser beeindruckenden Frau erzählt. Das ist mir erst jetzt wieder dank dir und deinem Beitrag eingefallen. Es ist bestimmt inspirierend, so eine Persönlichkeit live zu treffen. Die entgegen alle Konventionen ihr Leben lebt.

Mein Geldbeutel wird leiden müssen…

LG, Sara

8 Jahre her

Guten Morgen,
schon dein Bericht hat mich sehr bewegt. Was muss Helga für ein Leben gehabt haben. Auch wenn wir auch heute ja noch lange nicht so weit sind, dass alle Menschen so akzeptiert werden, wie sie sind oder sein möchten, so sind wir, denke ich, doch auf einem guten Weg dorthin. Ich würde mir wünschen, dass wir lernen, andere Menschen und ihre Lebensform, ihre Bedürfnisse nicht mehr zu bewerten, zu verurteilen, sondern einfach zu akzeptieren, auch wenn sie anders, als die eigenen sind.
LG
Yvonne

Wie spannend. Das muss ein ganz besonderer Abend gewesen sein. Für die Helga selbst muss das ebenfalls total irre gewesen sein von ihrem eigenen Leben auf diese Weise zu hören.

Liebe Grüße
Mareike