Ich war überzeugt, dass ich die noch ungeputzten Stolpersteine in einer einzigen, letzten Runde besuchen und polieren könnte, aber dann sind es doch nochmal zwei Termine geworden. Weil das Wetter sonnig, trocken und warm war, habe ich die Chance genutzt, den Herbstputz diese Woche dann eben in zwei Runden aber doch komplett zu erledigen. Denn es macht so gar keinen Spaß, in nasser Kälte auf dem Boden zu knien. Ich kann vermelden, dass ich mit der Putzaktion durch bin! Und so liefen die letzten beiden Putztage ab:
Einen der Standorte habe ich nicht gefunden. Am Busbahnhof, genauer gesagt Käthe-Strobel-Strasse 12, sollen zwei Stolpersteine liegen. Ich hatte schon befürchtet, ich müsste zwischen den ein- und aussteigenden Bus-Nutzern die Stolpersteine putzen, aber obwohl ich kreuz und quer und alle Ecken dreimal abgelaufen bin, habe ich keine Stolpersteine gefunden. Wahrscheinlich waren sie genau unter den Baumaterialien im abgesperrten Baustellenbereich versteckt. Ich werde also in ein paar Wochen nochmal versuchen, sie zu finden, wenn die Baustelle hoffentlich abgebaut wurde.
Ein Stolperstein war direkt in der Innenstadt in einer kleinen, engen Seitenstrasse, die von vielen LKWs als Anlieferungsstrecke frequentiert wurde. Weil es da eng zuging, fuhren die sehr gerne über den flachen Bordstein und nutzten den Gehsteig mit. Da kniete ich aber putzenderweise und fürchtete, dass man mich überrollt. Ein LKW hielt sogar an und zögerte, weil er sich an mir nicht vorbei traute, so eng war es (und man weiß ja, was für gigantisch große tote Winkel LKWs haben). Ich stand auf, machte den Gehsteig frei und wartete, bis der LKW halb auf der schmalen Gasse, halb auf dem Gehsteig an mir vorbei gefahren war. Eine sehr ungemütliche Situation.
Leider steigerte sich das nochmal am Frauentorgraben, als der Stolperstein direkt auf der Fahrrad-Rennstrecke zwischen Plärrer und Hauptbahnhof lag. Fahrradfahrer und Fußgänger mussten sich einen etwas breiteren Gehsteig teilen und ich mittendrin mit gesenktem Kopf und den Polierschwamm in der Hand. Ich habe gehofft, dass die Radel-Raser mich rechtzeitig sehen und mich nicht rammen. An diesem Standort hätte ich einen Helm und einen Warnposten gut gebrauchen können. Puh. Putzen unter Lebensgefahr!
Der nächste Stolperstein lag direkt vor einem Asia-Restaurant, aus dem es extrem lecker roch. An der Hauswand lehnten einige Fahrräder, in Richtung Straße waren draußen Tische aufgebaut und zwischen den Tischen und Fahrrädern hindurch war genau genug Platz, damit sich eine Person durchquetschen konnte. Und da lag der Stolperstein. Ehrlich gesagt, war es mir dann doch ein bisschen unangenehm, direkt neben den Fahrrädern zu den Füßen der Leute, die draussen aßen, auf die Knie zu gehen und den Gehsteig damit komplett zu blockieren. Was war ich froh, dass ausgerechnet dieser Stein offensichtlich doch gepflegt wird und er nach einem flüchtigen Drüberputzen ganz schnell wieder strahlte und blinkte.
Am Standort Celtisstrasse 3 bin ich komplett gescheitert. Da ist der Südstadtpark. Die Hausnummer 3, wo der Stolperstein liegen sollte, gibt es nicht. Google Maps hat den Pin mitten auf die Wiese gesetzt. Ein Baum? Ich war echt ratlos und bin unverrichteter Dinge wieder abgezogen. Zum Glück habe ich im Internet ein Foto der dortigen Stolpersteine gefunden, auf dem einiges an Umgebung mit drauf war. Ich konnte also ganz gut eingrenzen, wo ich beim nächsten Besuch meine Suche beginnen musste. Ausgehend vom Karl-Prölß-Platz geht ein Schotterweg durch den Park, an dessen Anfang die Steine liegen. Gefunden. Geputzt. Leider hat sich die Patina aus der Steinzeit nicht komplett wegputzen lassen. Da muss man wirklich mal die Chemiekeule länger einwirken lassen. Immerhin konnte man am Ende die Beschriftung wieder lesen.
An diesem Karl-Prölß-Platz befinden sich einige Sitzbänke und an dem sonnigen, warmen Sonntag, an dem ich dort zum Polieren war, versammelte sich das internationale Leben dort. Zwei dunkelhäutige Frauen mit bunten Gewändern und einem afrikanischen Turban (das perfekte Klischee-Bild) aßen zusammen Asiatisch aus der Pappschachtel und kicherten die ganze Zeit. Zwei Frauen mit Kopftuch führten eine Bank weiter auf Türkisch ein sehr ernstes, ruhiges Gespräch. Am anderen Ende des Platzes saßen ein paar dunkelhäutige Männer und genossen die Sonne. Der einzige Störfaktor war ein Mann, der völlig unverständlich, aber mit fränkischem Einschlag vor sich hin brabbelte, ab und zu seine Bierflasche unter seine Achselhöhle hielt und durchgeknallt lachte.
Am letzten Standort am Melanchtonplatz erlebte ich eine Überraschung, denn da befanden sich drei statt wie in der Liste vermerkt nur zwei Stolpersteine. Natürlich habe ich alle drei geputzt, ist ja klar.
So war also zweimal ein Stein in der Liste, aber nicht im Boden und ein Stolperstein war angebracht, aber fehlt in der Liste. Bei einem Eintrag findet sich in der Liste ein Anton, die Inschrift auf dem Stein lautet allerdings Antonie. Manche Stolpersteine sahen so aus, als wäre die Patina schon über viele Jahre gewachsen, weil da niemals jemand geputzt geschweige denn poliert hat. Andere Steine wurden mit einmal kurz drüberwischen ganz schnell glänzend und wie neu, also scheint sich da doch jemand drum zu kümmern.
Natürlich werde ich das an den lokalen Ansprechpartner und Herrn über die Liste der Stolpersteine zurückmelden und ich hoffe, es findet sich auch eine Möglichkeit, dass die Stolpersteine regelmäßiger geputzt werden – vielleicht im Rahmen einer Infotour durch die Stadt? Ich fände es auch toll, wenn man mehr über die Menschen, denen die Steine gewidmet sind, erfahren könnte. Was das Internet zu diesen Menschen hergibt, erzähle ich Euch in einem eigenen Beitrag.
Hier geht’s zu meiner Übersichtsseite zum Thema Stolpersteine mit den anderen Putzberichten und weiteren Infos zum Thema, die laufend ergänzt werden.
Loading Likes...
Hallo Gabi,
da hast du ja wieder jede Menge erlebt beim Putzen. Gut, dass du weder von einem LKW, noch von einem Fahrrad umgenietet wurdest. Ich finde es so toll, dass du dir die Mühe gemacht hast und ich bin gespannt, was du über die Menschen berichten wirst :)
Liebe Grüße
Julia
Hallo Julia,
die Recherche und das Beschäftigen mit dem Thema sind schon super interessant. Ich hoffe, ich kann noch ein paar Lebensläufe ausgraben, auch wenn es traurige Geschichten sind. Schließlich sollen sie auch daran erinnern, was Menschen anderen Menschen antun können und dass es nie wieder so weit kommen darf.
LG Gabi
<3