Bevor Regen und Sturm Deutschland überziehen, habe ich mich diese Woche nochmal zu einer Putzrunde durch Nürnberg aufgemacht, um ein paar weitere Stolpersteine zu polieren.
Es scheint online mehr als eine App oder Liste zu geben, die Stolpersteine aufführt, allerdings habe ich keine gefunden, die aktuell ist und die Nürnberger Steine enthält. Deshalb habe ich die Standorte der Papier-Liste, die ich habe, in eine Karte eigegeben. So kann man über den Routenplaner schnell sehen, welcher Standort in der Nähe ist. Ich werde die einzelnen Steine mit Name und Inschrift noch auflisten, wenn ich alle fotografiert habe. Wer aber schon jetzt mal Ausschau halten möchte, kann gerne meine Karte der Standort für die Nürnberger Stolpersteine nutzen (ein Klick auf die Karte führt zur interaktiven Version bei Google Maps).
Daran hab ich mich entlang gehangelt und einige Standorte in der Innenstadt abgeklappert (und dabei das Nürnberger Altstadtfest umrundet).
Auch diesmal wurde ich nicht komplett ignoriert, sondern mehrere Leute suchten das Gespräch, fragten nach, was ich mache und wieso, bedankten sich tatsächlich bei mir dafür und es ergaben sich viele kleine Gespräche, die über drei oder vier Sätze nicht hinausgingen. Manche Leute sagten mir auch, welche Standorte von Stolpersteinen sie kennen, an denen sie regelmäßig vorbeilaufen und die ihnen bewusst sind. Drei längere Unterhaltungen sind mir gut im Gedächtnis geblieben.
Eine freundliche, ein bisschen skurrile alte Dame erzählte mir während ich putzte ihre komplette tragische Lebensgeschichte. Dass ihr Vater im Krieg umgekommen war und das der Auslöser für eine schlimme Kindheit mit einem bösartigen Stiefvater, war nur der Aufhänger. Und wenn nur die Hälfte von dem stimmte, was die Damen mir erzählte (und ich hab ihr alles geglaubt), dann wäre das genug Stoff für einen Romanzyklus. So hatte ich während des Polierens Unterhaltung, über die ich manchmal schmunzeln musste, die mich aber auch traurig gemacht hat.
Eine Ladenbesitzerin, vor deren Geschäft zwei Stolpersteine angebracht waren, kam heraus zu mir und erzählte, dass sie in all den Jahren noch nie bemerkt habe, dass jemand die Steine geputzt hätte. Hmm, ja. Das hat man den Steinen auch angesehen. Allerdings hat auch sie mir bestätigt (wie schon die Anwohner bei meiner letzten Putzaktion), dass die Stolpersteine sehr wohl bemerkt würden und regelmäßig Leute stehenbleiben würden, um die Inschriften zu lesen. Das hat mich sehr gefreut!
An einem anderen Standort kam ich mit einer Frau ins Gespräch, die fragte, ob die Menschen, denen die Stolpersteine gewidmet sind, meine Verwandten wären. Und als ich verneinte, fragte sie mich, wieso ich sie dann putze. Es stellte sich heraus, dass sie selbst Jüdin ist und ein Buch geschrieben hat über Menschen, die den Holocaust überlebt haben. Sie hat auch zwei Ausstellungen zu dem Thema gemacht. Eigentlich war sie nur in Nürnberg gewesen, weil ihr Mann einen Arzttermin hatte (der arme Mensch stand daneben und musste geduldig warten, bis seine Gattin in aller Ruhe mit mir zu Ende geredet hatte) und meine Antwort auf das “wieso putzen sie die Stolpersteine” scheint ihr gefallen zu haben, denn sie beschloss, dass sie mir ihr Buch schenken wolle. Wir tauschten die Telefonnummern aus und nun bin ich sehr gespannt, ob und was sich daraus noch ergibt.
Auch am zweiten Putztag muss ich sagen, dass es sich gelohnt hat, in der Sonne zu schwitzen und am Boden zu knien, um die Stolpersteine zu putzen. Inzwischen bin ich so schlau und nehme mir ein altes Handtuch mit, das ich zusammengefaltet auf den Boden lege, um meine alten Knie zu schonen :-) Ich habe 10 weitere Stolpersteine poliert, am ersten Putztag waren es 21, also sind von den 77 verlegten Stolpersteinen noch 46 zu putzen. Und die Rückmeldungen von Passanten waren durchweg positiv.
Eine Übersichtsseite rund um meinen Blick auf die Stolpersteine findet ihr hier.
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Toll, dass du das machst! In der nächstgrößeren Stadt hier in der Gegend gibt es auch einige davon.
Ich find’s ein bisschen schade, dass es (noch) keine Gesamtliste der Stolpersteine gibt. Sie sind offensichtlich total weit verbreitet, aber oft weiß man gar nicht, dass welche in der Nähe sind. Aber ich habe gelesen, dass an einem Gesamtverzeichnis gearbeitet wird.
LG Gabi
Liebe Gabi,
was für eine tolle Aktion und Respekt, dass du es so durchziehst. Es toll, dass sich dadurch so wunderbare Gespräche entwickeln und die Existenz der Stolpersteine wieder ins Bewusstsein der Menschen gerufen wird. Viel zu wenig bewusst macht man sich das im Alltag und gerade jetzt ist es so wichtig!
Viele Grüße,
Ramona (#litnetzwerk)
Liebe Ramona,
ich war auch ganz erstaunt, dass sich doch viele Menschen der Stolpersteine und deren Bedeutung bewusst sind. Wie gut, dass es diese Aktion gibt und ich hoffe, der Initiator Demnig wird 100 Jahre alt und kann noch viele Stolpersteine verlegen!
LG Gabi
Hey Gabi,
Toll, dass du das machst. In meinem kleinen ORt gibt es glaube ich nur einen Stolperstein und der wurde mir erst bewusst als ich mal eine geführte Tour durch meinen Ort gemacht habe. Du hast mir das auf jeden Fall wieder ins Gedächtnis gerufen und ich möchte auf jeden Fall in anderen Städten Ausschau nach Stolpersteinen halten. Schön, dass du diesmal sehr positive Erfahrungen gemacht hast.
LG, Moni
Hallo Moni,
ich denke, dass man z. B. auch bei einem Städteurlaub nach Stolpersteinen Ausschau halten könnte, wenn man denn eine Liste oder App als Hilfe hätte. Ich hoffe, so etwas gibt es bald. Aber ich habe schon gemerkt, dass sich viele Leute der Stolpersteien bewusst sind, Anwohner und Angestellte aus den Geschäften dort. Aber für die Passanten sind sie oft unsichtbar, weil sie angelaufen und glatt in den Boden eingefgt sind. Denn obwohl sie Stolpersteien heißen, stolpert man ja nicht wirklich, wenn man darüber läuft.
LG Gabi
Liebe Gabi,
diese Aktion finde ich so, so großartig von dir! Wenn mehr Leute öfter auf diese Idee kommen würden, wären sie nicht so dreckig. In Erlangen gibt es auch ein paar Stolpersteine in der Nähe vom Thalia, wenn ich mich richtig erinnere. Da schaue ich nächsten Monat mal vorbei. :)
Vielen Dank und mach weiter so!
Liebe Grüße,
Yvonne
Liebe Yvonne,
in manchen Städten wird sich wohl gut um die Stolpersteien gekümmert. Ich habe gehört, dass in Würzburg z. B. die Stolpersteien von Schülern im Rahmen von Projekttagen geputzt werden. Das ist eine super Idee, vor allem, wenn man dann zeitgleich Infos übers Dritte Reich und die Nazigräuel vermittelt. Aber in Nürnberg gibt’s da wohl keine koordinierten Putzaktionen. Schade.
Ich finde es klasse, dass Du in Erlangen mal nach dem rechten schauen willst :-) Das klingt ja so, als könne man diesen Gang gleich mit einem Abstecher ins Thalia verbinden ;-)
LG Gabi
Toll, dass Du das machst und sich dabei auch noch so positiver Gespräche ergeben!
LG
Isabel
Hallo Isabel,
ich hätte das gar nicht so erwartet, aber ich habe mich sehr über die Gespräche gefreut.
LG Gabi