Darum geht’s:
Gordon Stafford ist am Ende. Vorbestraft, täglich betrunken, von Alpträumen geplagt, seine Karriere als Wettermann im lokalen Fernsehen ruiniert, muss er mit der riesigen Schuld leben, einen Autounfall verursacht zu haben, der einem Menschen das Leben kostete. Als letzten Ausweg hat er eine geladene Pistole im Nachttisch und überlegt regelmäßig, wann er sie benutzen soll. Erst als er bei seinen Sozialstunden in der Suppenküche den Obdachlosen Squirt kennenlernt, erwachen in Gordon langsam wieder positive Gefühle.
So fand ich’s:
Wie oft ist man ein paar Minuten unkonzentriert, macht etwas ganz Blödes und denkt hinterher, oh, das hätte jetzt aber auch schief gehen können? Davon kann sich bestimmt niemand ausnehmen. Bei Gordon ist seine gedankenlose Euphorie eines erfolgreichen Tages schief gegangen und ein anderer Autofahrer ist dabei gestorben. Nun muss er damit leben und trägt schwer an dieser Schuld.
Einerseits fand ich es gut, dass Gordon einsieht, dass er etwas sehr Dummes getan hat und weder versucht, die Schuld jemand anderem zuzuschieben noch sein Verhalten zu beschönigen. Andererseits war es aber auch schwer mitanzusehen, wie Gordon sich pausenlos geißelt, fast täglich das Grab des Mannes besucht, an dessen Tod er Schuld ist, und sich ansonsten in regelmäßige Alkoholexzesse rettet. Man wünscht ihm dringend, dass etwas Positives in seinem Leben auftaucht und als er Squirt kennenlernt, passiert genau das.
Squirt ist sanft, wirkt psychisch angeschlagen und zerbrechlich, aber auch sehr geradinig und Gordon fühlt sich sofort wohl in Squirts Nähe. Sonst hat er nichts gegen schnelle, anonyme One Night Stands, doch bei Squirt wagt er nicht einmal, ihn zu küssen, um ihn nicht zu verschrecken. So bleibt ihre Freundschaft eine Zeit lang ziemlich unschuldig, auch wenn Gordon durchaus auch sexuelles Interesse an Squirt hat.
Es scheint, die beiden sind gut füreinander und können sich gegenseitig helfen und heilen. Doch der nächste Tiefschlag wartet schon auf sie. Wie realistisch oder eher unwahrscheinlich dieses Szenario (ich bleibe nebulös, um nicht zu spoilern) ist, darüber wollte ich nicht ausführlicher nachdenken. Manchmal spielt einem das Leben eben solche Streiche und ich habe diesen Aspekt einfach hingenommen.
Diese Erzählung ist voller intensiver Emotionen und sie lässt einen nicht kalt. Heftiger Schmerz und Selbstmitleid wechselt sich ab mit sanfter Liebe und zarter Hoffnung. Es geht um Schuld und Vergebung und darum, mit den Konsequenzen seines Handelns leben zu müssen – und das dann auch zu akzeptieren und zu tun. Und auch wenn es zwischendurch mal nicht so aussieht, als würden Gordon und Squirt die Kurve kriegen, wartet auf sie doch ein Happy End.
Insgesamt habe ich jetzt drei Bücher von John Inman gelesen, die alle völlig unterschiedlich waren. “Payback” hat mir trotz des überzeugenden Schreibstils nur eingeschränkt gefallen, weil ich Probleme mit einer Wendung in der Handlung hatte. Doch “Ein Ständchen für Stanley” und “Zerbrochenes Glas” haben mich auf ihre unterschiedliche Art doch beide komplett überzeugt. Man muss definitiv mehr Bücher von John Inman lesen, um die Bandbreite seiner Erzählungen kennenzulernen und mit “Zerbrochenes Glas” habe ich eine interessante und emotional packende neue Facette dazu bekommen.
Mehr dazu:
Weitere Meinungen zum Buch gibt’s hier:
Gaylesen
El Ma liest
[Werbung] Klappentext- und Bildquelle sowie Buchdetails: Verlagsseite
Vielen Dank an Dreamspinner Press für das Rezensionexemplar
Liebe Gabi,
das klingt sehr gut und macht mich neugierig. Einzig habe ich sorge, dass ich es eventuell leid werden könnte, wenn sich Gordon zu viel selbst geißelt. Zerfließt er dabei in Selbstmitleid, oder hält sich das in Grenzen?
Liebe Grüße
Anja
Liebe Anja,
Gordon ist schon sehr in seiner Schuld verhaftet, aber ich fand nicht, dass er statisch darin feststeckt. Er fängt eben gerade an, wieder Freude zu empfinden und sich positiv weiterzuentwickeln, sich langsam aus diesem schwarzen Loch wieder zu befreien. Deswegen ist mir dieser Aspekt nicht zu viel geworden.
LG Gabi
Na, das klingt dann ja doch noch zuträglich für mich.
Liebe Grüße
Anja
Eine wirklich gute Geschichte, die einen zum Nachdenken bringt.
Mittlerweile bewundere ich die Vielseitigkeit von John Inman wirklich.
Irgendwann demnächst, muss ich an “My Busboy” ran, das ist dann wieder was ganz anderes. (Ich geh dann mal beten … ach nein, um Zeit bitten ;-) )
LG Elke
Der Busboy liegt hier auch schon auf dem Reader und ich bin genauso gespannt wie Du, ob Inman nochmal eine weitere Facette hinzufügen kann. So vielseitig wie er schreibt kaum jemand, da gebe ich Dir absolut recht.
LG Gabi