[Lesung] Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt lasen am 8. November 2018 in Iserlohn aus “Die Opfer, die man bringt”

Das Autorenduo Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt und ihr bösartig-egoistischer Protagonist Sebastian Bergman gehören auf jeden Fall zu meinen absoluten Lieblingen im Krimigenre. Deshalb habe ich die Chance genutzt, als die beiden Autoren in Deutschland auf Lesereise waren und bin quer durch die Republik gefahren, um an einer ihrer wenigen Lesungen teilzunehmen. Das Krimifestival “Mord am Hellweg” hatte sie zur Lesung ihres 6. Bandes aus der Sebastian-Bergman-Reihe eingeladen.

Der Goldsaal der Iserlohner Schauburg bot eine bombastische Kulisse. Ich liebe solche festlichen Veranstaltungsorte fast so sehr wie Lesungen in Buchhandlungen und Bibliotheken :-)

Neben den beiden Autoren nahmen auch der Moderator des Abends, Fragesteller und Übersetzer Günter Keil und der Schauspieler Haio von Stetten als Vorleser der deutschen Passagen auf der Bühne Platz.

(Günter Keil – Hans Rosenfeldt – Michael Hjorth – Heio von Stetten)

Günter Keil stellte einige tolle Fragen, die die Autoren abwechselnd beantworteten oder bei manchen auch grinsend versuchten, dem anderen die Antwortpflicht zuzuschieben ;-) Die beiden Autoren wirkten gut gelaunt, humorvoll und sehr sympathisch, wie eigentlich alle vier Männer auf der Bühne, die offensichtlich genauso viel Vergnügen an dem Abend hatten wie die Zuschauer.

Auf das gerade neu erschienene 6. Buch der Sebastian-Bergman-Reihe mussten wir drei Jahre warten. Das lag daran, dass sowohl Michael Hjorth als auch Hans Rosenfeldt mit anderen Projekten bei Film und Fernsehen beschäftigt waren und sich einfach vorher keine Lücke im Terminkalender ergab, an der beide gleichzeitig an einem Buchprojekt hätten arbeiten können.

Bei einem Autorenduo ist es natürlich immer interessant zu erfahren, wie sie ihre gemeinsame Arbeit organisieren. Grundsätzlich haben beide kein Problem damit, sich die Arbeit mit jemandem zu teilen, denn sie kommen beide vom Film, wo Teamarbeit üblich ist. Hjorth und Rosenfeldt halten es so, dass sie sich am Anfang eines Buchprojektes treffen, um die Geschichte zusammen zu erarbeiten und aufzuteilen, wer was schreibt. Dann trennen sie sich und erledigen die Schreibarbeit getrennt voneinander. Erst zum Schluss gibt es ein zweites Treffen, bei dem sie die Teile zusammenfügen. Wegen der getrennten Schreibphasen müssen sich beide ziemlich fest an den vorgegebenen Plan halten und können nicht so ohne Weiteres spontan irgendwelche Ideen ins Buch einbauen. Um gemeinsam ein Buch zu schreiben, sehen sie sich insgesamt nur ca. 3 Wochen im Jahr, den Rest machen sie getrennt. Das hat mich ziemlich gewundert, denn ihre Bücher wirken wie aus einem Guss und man kann sich kaum vorstellen, wie sie es so gut hinbekommen, ihre jeweiligen Passagen oder Kapitel so harmonisch ineinander zu fügen.

Auch wenn die Handlung für die einzelnen Bücher vor dem eigentlichen Schreiben schon feststeht, sind die Autoren freier, was die Entwicklung innerhalb der Reihe angeht. Es war z. B. geplant, Ursula sterben zu lassen und die Szene war auch so geschrieben. Dann haben es sich die Autoren quasi im letzten Moment anders überlegt und die Passage geändert. Was für ein Glück, denn Ursula ist eine meiner Lieblingsfiguren und ein guter Ausgleich zu den ganzen durchgeknallten im Team :-)

Als die beiden Autoren die Figur Sebastian Bergman erschaffen haben, war ihr Plan, eine ungewöhnliche Figur zu gestalten. Sie würden Sebastian Bergman nicht unbedingt zum Freund haben wollen, aber er spielt sich im Laufe der Zeit doch in die Herzen der Leser, weil er sich mit seinen Bösartigkeiten am Ende doch selbst am meisten schadet. Die Sex-Sucht ist seine persönliche Droge, aus der er sich nicht befreien kann. Für mich persönlich kann ich sagen, dass ihr Plan aufgegangen ist und ich Sebastian Bergman zwar meistens nicht wirklich sympathisch finde, aber ich sehe ihn auch als Getriebenen, der nicht anders kann, und das relativiert einiges von dem, was er tut, wieder. Eine interessante und spannende Buchfigur ist er auf jeden Fall!

Auf die Frage, ob Sebastian zwar nicht an Gott, aber doch an irgendetwas glauben würde, wussten die Autoren spontan keine Antwort und es entwickelte sich eine kleine Diskussion zwischen ihnen. Das habe ich als keinen Einblick in ihren Prozess empfunden, wie sie eine Figur entwickeln und das war natürlich super interessant. Über die Schlussfolgerung, dass Sebastian wohl doch an etwas glauben müsse, denn sonst würde er nicht weiter kämpfen, sich nicht weiter um Vanja bemühen, kamen sie nicht hinaus. Ob es nun beispielsweise die Hoffnung auf Liebe oder Vergebung ist, was ihn antreibt, blieb fürs Erste ungeklärt. Die Autoren verwiesen uns aber augenzwinkernd auf die folgenden Bücher, in denen dieses Thema vielleicht aufgegriffen würde. Halten wir also Ausschau danach, ob wir doch irgendwann eine Antwort bekommen :-)

Beim Hinweis auf die folgenden Bücher musste natürlich gleich geklärt werden, wie die Pläne für die Sebastian-Bergman-Reihe aussehen. Hjorth und Rosenfeldt ließen sich immerhin so weit festnageln, dass es 8 Bücher werden sollen. Vielleicht auch mehr, aber 8 auf jeden Fall. Das heißt, wir können uns auf noch mindestens zwei weitere Bücher freuen – eine sehr gut Nachricht!

Die Handlung der Kriminalfälle in den Büchern basiert nicht auf realen Verbrechen, wie das bei anderen Autoren oft der Fall ist. Das ist auch wieder beim aktuellen Buch “Die Opfer, die man bringt” so, auch wenn es Serienvergewaltiger-Fälle auch in Schweden gibt, an denen man sich hätte orientieren können. Hjorth und Rosenfeldt sehen den Schwerpunkt ihrer Erzählung eher auf der Opfer-Seite. Es war ihnen wichtiger darzustellen, wie man als Opfer damit umgeht und was solche Verbrechen mit einem machen. Das haben sie ausführlich recherchiert.

Das letzte Buch “Die Menschen, die es nicht verdienen” endete mit einem Cliffhänger, was Billy angeht. Und aus dem, was die Autoren erzählen und auch aus den gelesenen Passagen erfuhren wir, dass er eine zentrale Rolle im neuen Buch spielen wird. Billys Neigung zu Macht und Gewalt hat sich ja schon länger abgezeichnet und dieser Gesichtspunkt bekommt viel Platz im Buch.

Jeder der beiden Autoren las ein kleines Stück auf Schwedisch. Obwohl ich kein Wort verstanden habe, gefällt mir die Sprache total gut. Richtig beeindruckt hat mich Heio von Stetten, der so wunderbar las, dass ich regelmäßig in der Geschichte versunken bin. Das war ein tolles Hör-Erlebnis, aber leider hat es sich auf ein paar Kostproben beschränkt. Natürlich habe ich das Buch schon zuhause, bin aber noch nicht dazu gekommen, es zu lesen. Dieser Abend hat mir riesige Lust gemacht, gleich zum Buch zu greifen und mich der neuesten Episode mit Sebastian Bergman zu widmen.

 

 

 

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Susanne
6 Jahre her

Liebe Gabi,

den Bericht über die Lesung finde ich sehr interessant, da ich auch ein Fan dieser Reihe bin ;-) Den Moderater kennen wir doch aus Würzburg :-) Ich freue mich schon darauf, wenn ich das Buch lesen kann.

Ein schönes Wochenende

LG Susanne

Susanne
6 Jahre her
Reply to  Gabi

Ich kann warten ;-)